© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001


Scharpings Urlaubsfotos
Die Kunst, ein Tolpatsch zu sein
Dieter Stein

Hin- und hergerissen ist mancher in der aktuellen Debatte um die Urlaubsfotos des Bundesverteidigungsministers. Auf welche Seite soll man sich denn schlagen? Auf der einen Seite stehen diejenigen, die angesichts der Aufnahmen des über betaute Wiesen tänzelnden oder mit seiner Geliebten im Bassin herumtollenden Ministers in homerisches Gelächter ausbrechen, auf der anderen Seite die, die Neid und Mißgunst bei den Kritikern von Rudolf Scharping am Werke sehen und sagen, man solle ihm den zweiten Frühling doch von Herzen gönnen.

Man braucht sich leider nicht zu streiten, ob Politikern die öffentliche Ausbreitung des Privatesten schadet. Das Publikum begrüßt es begeistert. Die Boulevardpresse feiert den herumplanschenden und knutschenden Oberkommandierenden zwischen „Boxenluder“ und Prügelprinz. Wer weiß denn überhaupt, wo Mazedonien liegt? Und wer keinen Angehörigen bei der Bundeswehr hat - das ist die Mehrheit -, dem scheint das Thema Auslandseinsatz völlig egal zu sein.

„Man“ will das Private sehen, meinen die PR-Berater. Also streichelte schon Altkanzler Kohl am Wolfgangsee alljährlich eine Kuh oder ein Reh, ließ sich der Finanzminsiter beim Radeln an der Nordsee fotografieren, zeigte sich selbst Umweltminister Trittin, spröde lächelnd, in Gummistiefeln beim Wattwandern, Guido Westerwelle ging in den Big-Brother-Container und Klaus Wowereit outete sich als schwul.

Das Bild des kühl operierenden, sachlichen Interessenwahrers im Dienste der Nation ist schon seit Lichtjahren passé. Manche bemühten dieser Tage das berühmte Titelfoto der Berliner Illustrierten aus dem Jahr 1919, das Reichspräsident Ebert und Reichswehrminister Noske in Badehose an der Ostsee zeigte. Das Bild erschütterte die Weimarer Republik. Scharping und Gräfin Pilati im Pool dagegen ist das unaufregende Sinnbild der Berliner Spaß-Republik.

Unterhalten werden will das Volk! Und sie haben sich denn auch die lustigste Truppe gewählt, die den höchsten Grad an Ablenkung verspricht. Scharping gibt dabei den Jerry Lewis in Schröders Quatsch-Comedy-Club. In anderen großen Demokratien ist dies wenig anders. Es gibt jedoch eine spezifisch deutsche Version der öffentlichen Entäußerung, die schließlich ins Würdelose spielt - eine über die Jahre gewachsene besondere deutsche Lust an Selbsterniedrigung, eine auf die Spitze getriebene und immer weiter verfeinerte Fertigkeit, sich auf die Knochen zu blamieren und dafür sogar noch um Beifall zu heischen.

Scharping ist demnach der deutscheste unter den Ministern der Berliner Regierung. Selten kam Servilität und der Wille zu vorauseilendem Gehorsam derart spröde und steifnackig daher. Als Scharping die Vorgänge im Kosovo 1999 im Bundestag dröhnend mit Auschwitz verglich, verwob er den Musterschüler mit dem Tolpatsch in kongenialer Weise.

Leid können einem nur die Soldaten tun, deren Einsatzgebiet im Gegensatz zu ihrem Chef nicht Mallorca, sondern Mazedonien und deren Braut keine Gräfin, sondern die Knarre ist.


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