© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Zeitschriftenkritik: Krisis - Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft
Der lange Marsch zur Love Parade
Werner Olles

Seit Ende der achtziger Jahre erscheint in der Nachfolge der Zeitschrift Marxistische Kritik zwei- bis dreimal jährlich Krisis mit dem Untertitel „Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft“. Ohne zu übertreiben darf man diese Theoriezeitschrift zu den intelligentesten Projekten der radikalen Linken zählen. Hier werden „theoretische Positionen jenseits des Traditionsmarxismus und gegen die herrschende krisenkapitalistische Wirklichkeit“ auf einem Niveau debattiert, das man nach dem allgmeinen Abgesang der Linken kaum noch für möglich gehalten hat. Schaut man sich so manche Blätter selbsternannter „antifaschistischer“ Gralshüter an, wird einem nämlich erst richtig klar, wie sehr die deutsche Linke intellektuell auf den Hund gekommen ist. Es gibt jedoch Siege, über die man nicht froh werden kann.

Krisis will dagegen „das alte Linkssein transformieren“ um „abseits des versiegenden akademischen Mainstreams und des paralysierten bewegungslinken Diskurses eine Position zu entwickeln, die den Arbeiterbewegunsg-Marxismus überwindet, ohne affirmativ realistisch zu werden“. Das ist ein ehrgeiziges Programm, und zu diesem Zweck wurde vom „Förderverein Krisis“, der als Träger und Herausgeber der Zeitschrift fungiert, Mitte 1996 das „Institut für kritische Gesellschaftstheorie“ gegründet, das u.a. durch Seminare und Foren die Kontinuität der theoretischen und publizistischen Arbeit der „Krisis“-Gruppe sichern soll.

Die Auseinandersetzung mit dem „realistischen Rechtsintellektualismus“ und dem „Rechtspopulismus“ wird dann auch nicht im Sinne eines theoretischen Vernichtungsrituals geführt, wenngleich man natürlich auf das „neokulturalistische Rechteck aus Blut und Überzeugung, Glaube und Familie“ und auf „apokalyptische Blutopferideologien“ hinweisen zu müssen glaubt. Aber das sind doch eher Pflichtübungen, die noch Relikte ideologischer Dogmen ahnen lassen. Wichtiger ist die Kritik an der „in galoppierender Auflösung begriffenen Modernisierungs-Linken“, die - nach einem Bonmot von Helmut Qualtinger - „zwar nicht mehr weiß, wohin sie fährt, dafür aber um so schneller ankommt.“

Am Beispiel der „stumpfsinnigen Massen der Love Parade“ beschreibt Robert Kurz die Implosion des Subjekt-Objekt-Dualismus der Wertvergesellschaftung, die in diesem speziellen Fall nicht nur die Vermüllung des Tiergartens, sondern auch die „Vermüllung der bürgerlichen Subjektivität“ demonstriert. Den „linken, popkulturalistischen Postmodernismus“, der daraus einen „emanzipatorischen Ansatz“ destillieren möchte, sieht Kurz im gleichen „Zustand der Infantilität“ angelangt wie die Mitläufer des „unzurechnungsfähigen Love-Gedröhns“ mit ihrem „frühkindlichen Lallen“. Es verbiete sich auch, „um fünf Ecken herum“ in dieser „als Event organisierten Willenlosigkeit der massenhaft zur Schau gestellten Selbstinszenierung von Volltrotteln der Warengesellschaft“ irgendeinen Ansatz eines Widerstandspotentials zu vermuten.

 

Horlemann Verlag, Postfach 13 07, 53583 Bad Honnef. Einzelpreis bis 144 Seiten: 16 Mark, bis 176 Seiten: 18 Mark, bis 208 Seiten: 20 Mark


 
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