© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Frisch gepresst

Nationalismus. Hedda Gramley untersucht die politische Publizistik von dreißig deutschen Theologen, Nationalökonomen und Historikern (unter denen Heinrich von Treitschke wohl noch der bekannteste ist) zwischen Paulskirche und den ersten schweren Krisen des neugegründeten Kaiserreiches (Sozialistengesetz, Gründerkrach, Antisemitismusstreit), um das Phänomen des Nationalismus zu enträtseln. Daß ein an der Nation orientiertes Denken im 19. Jahrhundert, in den Umbrüchen der Moderne, die „Chance zu neuer Sinnstiftung“ bot, ist aber auch dann keine neue Einsicht, wenn man sie wie Gramley im Rahmen einer „Mentalitätsforschung“ präsentiert. Statt mit dem heuristisch diffusen Mentalitätskonzept zu hantieren, hätte Gramley ihre These, wonach Nationalismus bis 1880 noch keine „politische Religion“ gewesen sei, breiter fundieren sollen („Propheten des deutschen Nationalismus. Theologen, Historiker und Nationalökonomen 1848-1880“, Campus Verlag, Frankfurt a.M./ New York, 449 Seiten, 98 Mark).

 

Kirchengeschichte. Ein Bonner Antiquariat lobt alljährlich einen Preis für die umfangreichste Dissertation aus. Da man dort nur mit 1.500 aufwärts eine Chance hat, würde Matthias Martin mit seiner gut 500seitigen Würzburger Doktorarbeit kaum einen Trostpreis gewinnen. Würde hingegen die Arbeit mit den meisten Anmerkungen prämiert, läge Martin mit 5.599 Fußnoten aussichtsreich im Rennen. Martin spannt in seiner auf die rechtlichen Entwicklungen zwischen Kirche und Staat konzentrierten Arbeit den Bogen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, von der Ausrottung der Katharer und Verfolgung der Waldenser über die Verdrängung der katholischen Kirche aus Mitteleuropa bis zu den - nach Martins Parforceritt durch 600 Jahre europäischer Geschichte - fast abseitig wirkenden Fragen, die sich nach 1870 aus der Spannung von Staat, Kirche und Nation im Reichsland Elsaß-Lothringen ergaben („Staat, Kirche und Recht. Der Weg der katholischen Kirche in Mitteleuropa bis ins 19. Jahrhundert“, Logos Verlag, Berlin 2000, 547 Seiten, 79 Mark).

 

Aufrüstung. Der Journalist Yury Winterberg hat mit Hilfe des Historikers und selbsternannten Rechtsradikalismusexperten Hans-Gerd Jaschke und der Journalistin Birgit Rätsch eine Fernsehserie ins Leben gerufen, die sich unter dem reißerischen Titel „Nach Hitler. Radikale Rechte rüsten auf“ mit dem Rechtsradikalismus in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Gleichzeitig wurde das Material für ein Buch gleichen Namens verarbeitet. Resultat dieser Arbeit ist eine faktenreiche Zusammenstellung vieler Facetten der extremen politischen Rechten mit ihren Auswüchsen, Pervertierungen und ihres Scheiterns. Unlogisch ist allerdings das Resümee der Autoren, die trotz ihrer Studien immer noch eine drohende Machtübernahme dieses Personenkreises befürchten. Daß auch Personen und Vertreter der sogenannten rechten Szene zu Wort kommen, ist ungewohnt und erwähnenswert („Nach Hitler. Radikale Rechte rüsten auf“, C. Bertelsmann Verlag, München 2001, 284 Seiten, 40 Mark).

 

Bildungsnotstand. Ungeachtet der abgewürgten Leitkulturdebatte ist die Broschüre Heiner Hofsommers, Schulleiter und ehemaliger Berater des thüringischen Kultusministers, ein beachtenswestes Plädoyer für eine Werte- und Tugendvermittlung in der Bildungspolitik mit preußisch-deutscher Kultur und Tradition als Basis dieser Wertekonfiguration. Viele gesellschaftliche Probleme führt Hofsommer auf den von den 68ern herbeigeführten Werteverfall in Erziehung und Bildung zurück und mahnt zur Umkehr („Mißstände in Bildung, Erziehung und Politik“, Aton-Verlag, Unna 2000, 60 Seiten, 12,80 Mark).


 
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