© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/01 31. August 2001 |
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Meldungen Deutsche Eliten noch zu antiamerikanisch OPLADEN. Die Berliner Politologin Gesine Schwan fand zu einer alten Liebe zurück: dem Antiamerikanismus, der sie schon vor zwanzig Jahren faszinierte (vorgänge, 2/01). Trotz der tief ins Unbewußte hinabreichenden psychischen Amerikanisierung (Horst E. Richter) und des Proamerikanismus als konsensstiftende Gründungsideologie der Bundesrepublik, zeigt sich Schwan über latenten Antiamerikanismus besorgt. Ihre Befragung zeitgenössischer Meinungsführer ergab zwar, daß der einst mächtige nationalistisch-rassistische Antiamerikanismus kaum mehr virulent sei. Doch seine konservative Spielart sei weiter recht lebendig. Obwohl nur neun Prozent meinen, die USA seien Deutschland kulturell unterlegen, verknüpfen 50 Prozent der Befragten die US-Demokratie mit Materialismus und kapitalistischem Gesetz des Stärkeren. Die befragte Elite wolle demokratisch sein, ihre antiamerikanische Neigung weise aber Anklänge an hierarchisch-organologische Gesellschafts- und Politikmodelle auf, die Irritationen auslöse.
Bindungen an Israel beginnen sich zu lockern HAMBURG. Das Interesse der Juden in den USA am Schicksal Israels lasse nach. Die Spendenbereitschaft gehe zurück. Der in Hartford Geschichte des Nahen Osten und des Judentums lehrende Steve Rosenthal, der das Verhältnis der jüdischen Diaspora in den USA zum jüdischen Staat untersucht hat (Der Überblick. Quartalsschrift des kirchlichen Entwicklungsdienstes, 2/01), macht eine sinkende Bereitschaft aus, Israel bedingungslos zu unterstützen. Er schätzt, daß ein Drittel der US-Juden Israel indifferent gegenüberstände oder sich gar als dessen Gegner begriffe. Zudem zerbrösele der Zionismus als Bindungsideologie. Der laizistische Zionismus, mit dem sich viele Juden identifizierten, sei passé; die postzionistische Epoche beginne. Der religiöse Nationalismus inspiriere hingegen - von den Ultraorthodoxen abgesehen - wenige.
Sich vom Mythos der zwei Kulturen befreien BERLIN. Es gäbe gute Gründe für ein neues Selbstbewußtsein der Geisteswissenschaftler gegenüber Technikern und Naturwissenschaftlern, meint der Konstanzer Philosoph Jürgen Mittelstraß (Wissenschaftsnotizen. Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie, 18/01). Dazu bedarf es der Rückbesinnung auf transdisziplinäre Traditionen, um den Spezialismus fachlicher Partikularitäten zu überwinden. Dann ließe sich der Mythos der zwei Kulturen aufheben, und in Forschungsschwerpunkten könnten Natur- und Geisteswissenschaftler die Schnittflächen beider Kulturen aufweisen. Nur so sei zu erwarten, daß Geisteswissenschaftler die Kultur als Gesamtheit menschlicher Lebensformen, einschließlich ihrer technischen Entwicklung erfassen und zur Selbstvergewisserung über unsere Kultur beitrügen, was zur Stabilisierung moderner Gesellschaften ebenso wichtig sei wie technisches Können.
Staatskollaboration im Protektorat erforschen SEELZE. Von einer Brünner Tagung über Krieg, Diktatur und Vertreibung in der Erinnerung dreier Nationen der Deutsch-Tschechischen und der Deutsch-Slowakischen Historikerkommission berichtet Christoph Cornelißen (Sozialwissenschaftliche Information, 2/01). Deutsche Historiker dominierten die Szene, während sich tschechische und slowakische Referenten in Sachen Erinnerungskultur eher zurückhaltend zeigten. So kam auch von deutscher Seite die Aufforderung, die alte Fokussierung auf den Widerstand aufzugeben, und die Staatskollaboration der Tschechen im Protektorat zu untersuchen, die nie eine nationale Revolution angestrebt hätten. |
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