© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001

 
PRO&CONTRA
Soll Rudolf Scharping zurücktreten?
Paul Breuer / Albrecht Papenroth

Das Kontrollrecht des Parlaments und die dafür notwendige parteipolitische Neutralität sollten für das Amt des Bundestagspräsidenten höchstes Gut sein. Statt dessen Thierses Motto: Verschleppen, Verzögern, Vertuschen. Genosse Bundeskanzler, Genosse Bundestagspräsident und Genosse Verteidigungsausschußvorsitzender versuchen krampfhaft, ihren Genossen Scharping aus der Schußlinie zu ziehen. Während Genossen-General Müntefering die unbequemen Abgeordneten der SPD an die Kandare legen will, läßt sich Thierse für Parteikrisenmanagement mißbrauchen. Er gebärdet sich als verlängerter Arm und Unterabteilung des Kanzleramtes. Nur so ist die Ablehnung der beantragten Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zu erklären.

Das Argument mangelnder Eilbedürftigkeit trägt nicht. Scharpings Autorität und Führungskompetenz ist zerstört. Wie Georg Leber wollte Scharping einmal Soldatenminister werden, nun ist er nur noch ein tragischer Tolpatsch, unter dem die Bundeswehr und die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik leiden. Alle Umfragen belegen: Scharping ist ein abgrundtief schlechtes Vorbild für die Bundeswehrsoldaten.

Scharping hat nicht nur jegliche Autorität verspielt, er ist auch mit den Gedanken nicht bei der Sache. Bei der von Schröder so hochgelobten „guten Vorbereitung“ des Mazedonieneinsatzes hätten der Geheimnisverrat über die deutschen Marschwege vom Kosovo nach Mazedonien und die skandalös geplanten Handlungsanweisungen, die den Schutz der Zivilbevölkerung verbieten wollten, nie und nimmer passieren dürfen. Es wird deutlich: Ein Minister, der sich nur noch mit sich selbst beschäftigt, ist ein Sicherheitsrisiko.

Die CDU/CSU beantragt nunmehr eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses für Montag kommender Woche. Gar nichts ist erledigt, das Thema läßt sich nicht aussitzen.

 

Paul Breuer ist verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Der Text beruht auf einer Pressemitteilung.

 

 

Rudolf Scharping unterliegt den gleichen Bestimmungen und Möglichkeiten wie alle anderen Abgeordneten. Daß er von diesem, auch seinem Recht Gebrauch macht, wieder zum Urlaubsort zurückzufliegen - wie es auch andere Mitglieder des Bundestages tun -, ist vollkommen normal. Deshalb kann ich keinen Grund sehen, daß auch nur ein Ansatz vorliegt, ihm etwas Unredliches vorzuwerfen, was auch seinen Rücktritt auslösen könnte.

In der Vergangenheit habe ich wiederholt feststellen können, daß Abgeordnete nach einer Sondersitzung an ihren Urlaubsort zurückflogen - zum Teil viel weiter als Mallorca. Scharpings Flug hat sich also im Rahmen der Gleichbehandlung und des Zulässigen befunden. Aus diesem Grund sehe ich die Aufregung als völlig verfehlt und damit als gegenstandslos an.

Die Pressekonferenz am Freitag kann ich nicht werten, da mir derzeit nicht bekannt ist, ob die von Scharping geäußerten Dinge wirklich geheim waren. Wenn ihm das zur Last gelegt wird, muß gesagt werden, daß es jedem Menschen, der sich im Gespräch befindet, passieren kann, daß die eine oder andere Äußerung nicht genau plaziert ist. Aber ihm daraus einen gravierenden Vorwurf zu machen, halte ich für übertrieben. Ich bin jedoch der Ansicht, daß er genau wußte, was er als Minister zu äußern befugt war. Daß das andere anders sehen - damit kann er leben.

Ich habe ihn als exzellenten Kenner der Materie kennengelernt, der sich in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit in das ganze Metier der Bundeswehr und der internationalen Bündnisverpflichtungen eingearbeitet hat. Er würde niemandem, auch nicht zu einem komplizierten Sachverhalt, eine fundierte, sachliche Antwort schuldig bleiben, er würde immer eine klare Antwort geben. Von seiner Persönlichkeit ist also zu sagen: Die CDU hätte niemanden zu bieten, der ihm dort das Wasser reichen könnte.

 

Albrecht Papenroth ist Bundestagsabgeordneter der SPD und Mitglied des Verteidigungsausschusses.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen