© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001

 
K.u.k.-Therapie
Theater: Franzobels „Mayerling“ in Wien
Frank Philip

Uraufführung im Wiener Volkstheater: Schweigend sind sie beisammen, die Habsburger, vertieft in die Lektüre der neuesten k.u.k.-Literatur. Kaiser Franz Josef (Toni Böhm) in strammer Uniform beugt sich über den Schreibtisch, am anderen Ende der Bühne blättert Sisi (Barbara Nüsse) in einem Sisi-Roman, neben ihr liest des Kaisers Mätresse Katharina Schratt (Vera Borek), weiter hinten räkelt sich ordinär die Mizzi, Rudolfs Geliebte (Anna Franziska Srna). An der rückwärtigen Wand sitzen - sehr bleich - die junge Baroneß Mary Vetsera (Meriam Abbas) und als Jäger verkleidet Kronprinz Rudolf (Jörg Pose). Er starrt zu Boden. Soeben hat er auf Schloß Mayerling sich und Baroneß Vetsera erschossen, das Publikum hat es gesehen. Doch wie sagt er’s seinen Eltern? Franz Josef denkt nur an die monarchische Pflicht, hat kein Verständnis für das Leiden des Sohnes, und die schöne Elisabeth ist seit Jahren nur noch mit Gymnastik, Dauerlauf und Abmagern beschäftigt.

Aus Lautsprechern quillt plötzlich Rock’n’Roll-Musik, der Hof wird zur Revuebühne. Während Franz Josef etwas unbeholfen seine Hüften wiegt, tanzen die Damen, allen voran Mizzi, freudig lasziv. Abrupt bricht die Musik dann ab. Nun muß Rudolf sprechen. Am Hof galt der Kronprinz schon seit längerem als verrückt: Er trank und nahm Drogen, zweifelte am Sinn der Monarchie und heulte sich bei Geliebten und Huren aus. Rein geschäftsmäßig nimmt denn auch der Hof die Nachricht vom Tod des Thronfolgers auf, bloß keinen Skandal!

So also sieht die schmutzige Wahrheit aus, bitt’schön, kauft keine verklärenden k.u.k-Schinken mehr, lautet die Botschaft an das Publikum. Die FAZ-Autorin Eva Menasse nennt das Stück der jungen deutschen Regisseurin Thirza Bruncken eine „glasklare, konzentrierte, beschwingte Inszenierung“, eine „wilde Posse“ und eine „unterhaltsame Habsburg-Nummernrevue“.

Dabei ist dem am Mittwoch voriger Woche in Wien uraufgeführten Theaterstück „Mayerling“ des jungen Autors Franzobel alias Stefan Griebl, hochtrabend als „Die österreichische Tragödie“ angekündigt, ein etwas krampfhaftes Bemühen zur Therapie der angeblich k.u.k.-geschädigten Österreicher anzumerken. Franzobels Sympathie gilt Rudolf, dem Rebellen, der „keine Chance hat und sie nutzt“, dagegen ist ihm zur Diskreditierung des restlichen Hofes keine Obszönität zu billig. In einem kurzen Aufsatz zu seinem Stück erläutert Franzobel sein Unbehagen an der k.u.k.-Nostalgie der Österreicher: „Die Wiener Architektur ist reinste Monarchie, das Parlament, der Ballhausplatz, die Hofburg, die Clubräume der einzelnen Parteien.“

Offenbar leidet Franzobel unter Verfolgungswahn und sieht sich von Habsburgern umstellt. Seine bange Frage lautet: „Kann so eine Regierung demokratisch, republikanisch regieren?“ Um Österreich ähnlich wie die Bundesrepublik von den positiven Seiten seiner Geschichte zu entfremden, sollten ihm nach Ansicht des Franzobel endlich die Augen geöffnet werden. Wäre das Parlament, „diese Keimzelle des Staats nicht besser in einem Flak-Turm untergebracht“, fragt er. Tolle Idee! Sollten Theaterstücke demnächst nicht besser unter Autobahnbrücken uraufgeführt werden? Das Publikum hat sich in „Mayerling“ wohl amüsiert, über sexuelle Derbheiten verlegen gelacht und ansonsten still gedacht: „Wenn das der Kaiser wüßte!“

 

Franzobel: Mayerling. Die österreichische Tragödie. Volkstheater Am Weghuberpark, Neustiftgasse 1, A-1070 Wien. Tel. 00 43 / 1 / 5 23 35 01 - 333


 
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