© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001


Wien: Großes KPÖ-Fest gegen Schwarz-Blau / Revolution geht durch den Magen
Fressen gegen Rechts
Frank Philip

Es ist doch zum Heulen! Schon seit über anderthalb Jahren hockt im Kanzleramt dieser Schüssel, ein Kanzler von Haiders Gnaden. „Widerstand, Widerstand - Schüssel, Haider an die Wand!“ krähten die Demonstranten jeden Donnerstag bei ihren Umzügen durch das nächtliche Wien, doch ihr Ruf verhallte ungehört. Die Regierung ist nun dabei, die gute alte Sozialpartnerschaft zu zerschlagen, jenes hocheffiziente Mauschelsystem zur Versorgung verdienter Parteifunktionäre.

Aber die Revolution geht weiter, unaufhaltsam. Für das erste Septemberwochenende trommelte die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) zum traditionellen Volksstimmefest. „Das Fest feiern - die Privatisierer feuern!“ lautete das diesjährige Motto. Wir Leser der kommunistischen Parteizeitung Volksstimme können das fröhliche Treiben auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater kaum erwarten. Mit der U-Bahn geht es gegen Mittag nach Wien-Nord, wo der halbe Balkan uns zu begrüßen scheint. Vereinzelte autochthone Gestalten lehnen an Würstlbuden, wo sie Dosenbier schlürfen und ab und an zum Riesenrad hinüberblinzeln. Die Sonne scheint grell, als wir über die Hauptallee durch den Park wandern. Einst war dies ein Jagdgebiet der Habsburger, seit 1766 durfte sich dann das einfache Volk dort tummeln. Und da hören wir auch schon durch die Bäume die ersten Klänge des Volksstimmefests: Techno mischt sich mit arabischen Klängen, und ein zarter Duft von geröstetem Hammelfleisch liegt in der Lust. Ahhh, das ist sie, die vielgepriesene Revolution.

Wir stehen auf einem zertrampelten Rasen mitten im „Solidaritätsdorf“, wo obskure Arbeiterparteien der ganzen Welt ihre Zelte aufgestellt haben. Zahllose Schriften vor allem in arabischer Sprache liegen aus, deren Titelblätter Marx, Engels und Lenin zieren. An einem Stand der terroristischen türkischen DHKP-C steckt man uns ein Heftchen zu, worin in alter RAF-Manier über angebliche Isolationsfolter in bundesdeutschen Gefängnissen lamentiert wird. Am nächsten Zelt hängen Bilder eines Hungerstreiks kommunistischer Häftlinge in der Türkei. Die ausgemergelten Figuren sehen grauenvoll aus. Ironischerweise schreit und verkauft der dicke, bärtige Türke im Zelt: „Döner! Döner! Döner!“ Die Solidarität und die Revolution sind nämlich nur ein Teil des Volksstimmefests. Es gibt dort auch und vor allem enorm viel zu essen. Revolution geht eben durch den Magen.

Der Döner schmeckt nicht schlecht, wie wir uns überzeugen, ist allerdings etwas zu fett, weshalb wir bei den „Roten Brigadisten“ aus Nicaragua einen günstigen Rum hinterherschütten. Der heizt heftig ein und macht Appetit auf eine würzige kurdische Pizza. Diese spülen wir gerade mit einem Becher Sangria herunter, als uns von Ferne die „Antifaschistische Linke“ mit Palatschinken lockt. Dazu gibt es einen garantiert antifaschistischen Tequila für nur neun Schilling. Bei solchen Preisen macht Revolution richtig Spaß. Während wir noch Döner, Rum, Pizza, Sangria, Palatschinken und Tequila verdauen, treffen wir alte Bekannte. Die „Botschaft besorgter Bürgerinnen und Bürger“, ein Verein der um die Demokratie in Österreich Besorgten, bringt die Stimmung der Gegner von Schwarz-Blau auf den Punkt: „Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte“, heißt es auf ihrem Transparent.

Eben, und deshalb kaufen wir schnell noch einen Nudelsalat bei der „Bewegung für Soziale Befreiung“. Wir befinden uns nun auf der „Initiativenstraße“, und überall wehen rote Fahnen. Die „Friedensmeile“ nehmen wir - Rumseidank - nur flüchtig wahr. Die Mittagssonne brennt nun auf unsere treuen Genossen. Immer wieder rote Sterne, Kurdistan, Che und Bratwürste. Es wummern dumpfe Techno-Schläge verquirlt mit Ethnoklängen. Manch ein alter Kämpfer gegen Rassismus und Sozialabbau wird müde und gönnt sich ein Nickerchen hinter Stapeln von revolutionärer Literatur. Wir aber bekommen schon wieder Hunger und verdrücken einen Bratapfel am Stand des „Gewerkschaftlichen Linksblocks“. Daneben gucken die Damen vom „Lesbischen Forum“ ziemlich dumm aus der Wäsche, denn nur Krümel sind übrig von ihrem Kuchen.

Trotzdem weckt gerade das „Lesbische Forum“ unsere Aufmerksamkeit. Die aktuelle Ausgabe der Vereinszeitung der „Aktion Unabhängiger Frauen“ widmet sich nämlich kritisch dem Thema political correctness. „Tugend Terror“ und „Denkverbote“ steht auf dem Titelblatt der frechen Lesben. Marietta vom Redaktionskollektiv berichtet ihren Schwestern, sie habe neulich eine böse Streitschrift gefunden, das „Lexikon des Gutmenschen“ (korrekt heißt es „Wörterbuch des Gutmenschen“, herausgegeben von Klaus Bittermann und Wiglaf Droste). Bedenklich findet Marietta seitdem die political correctness. Diese sei ein autoritäres Konzept und man könne nun „bestimmte Begriffe eigentlich nur mehr in geschütztem Raum oder Rahmen sagen, weil wir sonst Gefahr laufen, daß wir unseren GegnerInnen eine Waffe in die Hand legen.“ Genau, das political correctness-Heft zum Beispiel. Weiß die KPÖ vom gefährlichen Kurs ihrer „Unabhängigen Frauen“?

Wir wenden uns hübscheren Dingen zu, leichtgeschürzten Exotinnen, die für die Aktion „Sonne für Cuba“ tanzen. Vor ihrer Bühne lassen sich Dutzende Gestalten nieder bei einer Flasche revolutionärem Bier. „Roter Oktober“ heißt das Gebräu und ist viel zu warm. Träumend beschauen wir die Vorstellung der schlanken, braunen Tänzerinnen. So angenehm und friedlich kann Revolution sein, denken sich die Genossen. Alles lagert nun auf den Wiesen, nur die zahllosen Kinder, die nach Auffassung ihrer Eltern gar nicht früh genug an die Wahrheiten der kommunistischen Partei herangeführt werden können, springen unermüdlich in ihrer Hüpfburg herum. Sie können einem leid tun, die Kleinen, denn der Bub im Vorschulalter, der in einem Hemdchen mit Mao-Aufdruck steckt, kann nicht wissen, daß bei einer echten kommunistischen Revolution am Ende keine Hüpfburg, sondern Arbeits- und Umerziehungslager stehen.

Der Tag ist schon fortgeschritten, ein frisches Lüftchen weht, und graue Wattewölkchen ziehen am Himmel auf, als wir zum Höhepunkt des Volksstimmefests kommen: „Links macht Spaß - die KPÖ“ heißt die Zeltansammlung laut unserem Volksstimme-Plan, und wirklich, was für einen spaßigen, linken Eindruck die überwiegend älteren Genossen hier aber auch machen! Im näheren Umkreis der Partei (hat immer recht) gibt es natürlich weniger kulinarische als intellektuelle Köstlichkeiten. Entsprechend geringer ist der Andrang, denn die vielbändigen Werkausgaben herausragender kommunistischer Theoretiker sind nicht so unmittelbar anziehend wie Döner, Rum, Pizza, Sangria, Palatschinken, Tequila, Nudelsalat, kandierte Früchte, Most, Bratwürste, Bratapfel, Kuchen und revolutionäres Bier. Aber dennoch haben wir nach dem Besuch des Volksstimmefests wieder Hoffnung. Erst kommt zwar das Fressen, doch dann die Moral. Bestimmt, der Kampf gegen Schwarz-Blau geht weiter. Und der nächste Kanzler muß von der KPÖ sein ...


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