© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Unverbrüchliche Treue
von Richard Stoltz

Übereifer schadet, sagt das Sprichwort. Manchmal macht man sich damit lächerlich oder bringt sich in komische Beleuchtung. So jetzt der Axel Springer Verlag, der nach den Terroranschlägen in New York und Washington die „Politischen Grundsätze“ seines Hauses um den Grundsatz der „Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“ ergänzt hat. Künftig soll also jeder Journalist bei Springer sich per Unterschrift dazu verpflichten, in unverbrüchlichen Treue fest zu den USA zu stehen, was immer auch passieren möge.

Ältere Semester erinnert das an die Zustände in der DDR, wo man laufend seine „unverbrüchliche Treue zur Sowjetunion“ bekunden mußte, wenn man einen Job bei den Medien hatte. In Krisensituationen wurde dann noch einmal eine Steigerung fällig, da mußte dann jeder versichern, daß er sich „noch enger“ um die geliebte Sowjetunion scharen werde (was einige Spaßvögel zu der erstaunten Frage animierte: „Was? Noch enger?“).

Wie aus dem Hause Springer zu vernehmen, sind freilich Mitarbeiter, die bereits in Lohn und Brot stehen, bislang nicht dazu aufgefordert worden, eine zusätzliche Unterschrift zu leisten. Der neue Vertrags-Revers betreffe nur Neueinstellungen. Und da zur Zeit wegen der Wirtschaftskrise ein Einstellungsstopp bestehe, betreffe er eigentlich niemanden. Übereifer ohne Folgen, gewissermaßen. Aber die Spaßvögel spitzen noch die Schnäbel.


 
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