© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
German Gref
Deutscher im Kreml
von Frank Westphal

Seit es in Europa wieder ein nationales Rußland gibt, ist auch Rapallo wieder eine Option deutscher Außenpolitik, auch wenn dies im Auswärtigen Amt beharrlich ignoriert wird. Auf diese Option weist nicht nur die besondere Beziehung des diese Woche in Berlin weilenden Wladimir Putin zu Deutschland hin, sondern auch die Auswahl des Beraterpersonals, mit dem sich der russische Präsident umgibt. Etwa German Oskarowitsch Gref: geboren 1964 in Kasachstan, Muttersprache Deutsch, verheiratet mit einer deutschen Frau.

Seine Familienbiographie ist geprägt von der schicksalhaften deutsch-russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Sein Großvater kam 1913 mit Familie nach St. Petersburg. Gerüchten zufolge wurde der Name „Graf“ im Zuge der „klassenlosen Sowjetgesellschaft“ in „Gref“ geändert, ehe die Familie 1941 nach Asien deportiert wurde. Eine harte Jugend in der Steppe hat Gref geprägt. Seine Persönlichkeit kombiniert besondere Eigenschaften: Loyalität, Ausdauer, Disziplin und Weitsicht. Er hat die Gabe, Dinge schnell zu erfassen. In dem Kreml nahestehenden Kreisen wird er deshalb als „Kurzstreckenläufer“ bezeichnet. Er schätzt Kant und Hegel und zeichnete sich schon während seiner Armeezeit bei den Sondertruppen des Innenministeriums durch seine Selbstsicherheit aus.

Schon ab 1990 arbeitete er in der Petersburger Verwaltung eng mit Putin zusammen und stieg 1996 bis in die Position des Vizegouverneurs auf. Als Gref Ende 1999 von Putin zum Leiter der Denkfabrik „Zentrum für Strategische Studien“ ernannt wurde, geschah dies aufgrund seiner Fähigkeit, Ideen zu entwickeln, exakt vorauszuplanen und dann minutiös abzuarbeiten. Schließlich auch als Minister für Wirtschaftsentwicklung und Handel tätig, gewann der als liberal geltende Gref Profil. An der Seite Putins wurden nicht nur langfristige ehrgeizige Pläne bis zum Jahre 2010 entwickelt, die Förderung von IT-Wirtschaftsbereichen, das Aufbrechen oligarchischer Strukturen, die Boden- und Betriebsprivatisierung, die Renten- und Steuerreform sowie die Umschuldung Rußlands ins Rollen gebracht. Zum Ende der Amtszeit Putins 2004 will Gref für Rußland eine Wachstumsrate von zehn Prozent erreichen. Kritiker werfen ihm mangelnden Realismus vor, doch stehen die Chancen für einen Erfolg mittlerweile nicht schlecht.

Auch außenpolitisch gewinnt Gref Gewicht: Kritisierte die EU Putins Vorgehen im Tschetschenienkrieg, sprang ihm Gref verteidigend zur Seite, wurden Waffengeschäfte mit Indien getätigt, flogen Putin und Gref gemeinsam. Die vielfach zitierte patriotische Wiedergeburt Rußlands wird nicht zuletzt durch Gref getragen, wenngleich er aus seiner ethnischen Herkunft keinen Hehl macht und die Interessen der Deutschen in Rußland nie vergessen hat. Die Freundschaft beider Völker zeigt sich in der Person des German Gref - ein gutes Zeichen für die Zukunft.


 
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