© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Religionsfreiheit mit Folgen
Bayern: In Wertingen sind Proteste gegen den Bau einer Moschee nicht erst seit dem 11. September an der Tagesordnung
Lennart Lopin

In der kleinen Stadt Wertingen im bayerischen Schwabenland ist der seit den mutmaßlich von islamischen „Gotteskriegern“ verübten Anschlägen in den USA diskutierte „Kampf der Kulturen“ bereits seit Ende vorigen Jahres unerwartete Realität. Anlaß ist der geplante Bau einer Moschee, der auf heftige Proteste aus der Bevölkerung stößt.

Als dem türkisch-islamischen Kulturverein Wertingen die Bauvoranfrage für die geplante Moschee bestätigt wurde, gab es scharfe Kritik von seiten der Bevölkerung. Obwohl in der unmittelbaren Nachbargemeinde Lauingen die erste Moschee Bayerns gebaut wurde, die seitdem als Vorbild für eine positive Integration gilt, sammelten Bürger über 950 Unterschriften gegen die Errichtung eines Wertinger Pendants. Während der Bürgermeister der 8.500 Einwohner zählenden Gemeinde, Dietrich Riesebeck (SPD), die Aufregung nicht nachvollziehen kann, da das Bauvorhaben „absolut legitim“ sei, stößt sich ein Großteil der Bürger an den städtebaulichen Folgen und möglichen sozialen Begleiterscheinungen. So soll das mit 800.000 Mark veranschlagte Gebäude, das auch als Kulturzentrum gedacht ist, mit einem 18 Meter hohen Minarett und einem Kuppeldach versehen, östlich des lokalen Friedhofs errichtet werden.

Mit Recht verweisen die rund zweihundert Moslime der Stadt, hauptsächlich Türken, aber auch bosnische Asylsuchende und arabische Familien, auf die Religionsfreiheit in Deutschland und hoffen, daß sie mit diesem Kulturzentrum, das aus eigener Tasche finanziert werden soll, auch ihre Kinder ansprechen. „Hier soll vor allem unsere Jugend erzogen werden. Wir denken schließlich 30 Jahre im voraus“, gibt der Vorsitzende des ansässigen türkisch-islamischen Kulturvereins, Ibrahim Akcay, zu bedenken. Gerade im Hinblick auf die gespannte Situation nach den Anschlägen in den USA sehen die Bürger der Stadt in dieser Voraussicht eine Gefahr. Während es 1970 nur drei Moscheen in Deutschland gab, sind mittlerweile 2.200 Moscheen bundesweit eingetragen

Nachdem das Bürgerbegehren „Keine Moschee in Wertingen!“eingereicht wurde und die Überprüfung der knapp 1.000 Unterschriften abgeschlossen ist, hat das Landratsamt in Dillingen bis spätestens 10. Oktober die Zulässigkeit des Antrages zu untersuchen. Sollten Einwände ausbleiben, muß die Stadt einen Bürgerentscheid ansetzen.

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT betonte Akcay, daß selbst die Wertinger Kirchenleitung das Projekt voll und ganz unterstütze und daß diejenigen, die dem Projekt feindselig gegenüberstünden, eindeutig in der Minderheit seien. Trotzdem habe man das Projekt momentan eingestellt, um kein „Öl aufs Feuer“ zu gießen. In zwei bis drei Jahren will der Verein das Vorhaben erneut aufgreifen. Auf die Frage, ob beim Scheitern des Antrages auch mit einem einfachen Familienhaus vorlieb- genommen würde, meinte Akcay, daß den Kritikern immer wieder Gründe einfielen, um den Bau der Moschee zu verhindern.

Tatsächlich handelt es sich bei diesen Kritikern um besorgte Einwohner, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen und die sich durch den von lokalen Medien vermittelten Eindruck, die Moschee sei ins Visier einer xenophoben Mehrheit geraten, diskreditiert sehen. Der Bau einer Moschee bedeutet vielleicht noch eine Integration im Sinne einer multikulturellen Utopie. Viele Bürger in Wertingen befürchten jedoch das Entstehen einer türkisch-islamischen Parallelgesellschaft und sehen in der Moschee das Symbol für einen tiefen kulturellen Einschnitt.


 
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