© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Kolumne
Epochenwende
Klaus Hornung

Bei der Gründung der Vereinten Nationen am 26. Juni 1945 in San Francisco proklamierte der amerikanische Präsident Harry S. Truman den Willen der Sieger des Zweiten Weltkrieges, „to stop war definitively“, den Krieg endgültig abzuschaffen. Aus der Proklamation ist bekanntlich nichts geworden. Nicht die Abschaffung des Krieges, sondern sein tiefgreifender Gestaltswandel wurde das Signum der Nachkriegsepoche. In den sogenannten „Volksbefreiungskriegen“ der Dekolonisationsära - vom China Mao Tse-tungs bis Vietnam und Algerien - trat ein neuer politisch-revolutionärer Krieg als Partisanen- und Guerillakrieg hervor, nicht mehr als Krieg zwischen Staaten und Regierungen, sondern zumeist gegen Regierungen und bestehende gesellschaftliche Ordnungen. Kein Geringerer als Carl Schmitt hat ihn bald darauf als Partisanenkrieg analysiert, als Ausdruck der Freund-Feind-Dialektik. Dafür wurde er, vor allem natürlich in Deutschland, als „Faschist“ diffamiert. Nun ist er von keines anderen als dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in feierlicher Sitzung im Kongreß rehabilitiert worden.

Diese neue Art von Krieg ist gekennzeichnet durch die Auflösung der Scheidewand zwischen Krieg und Frieden, als langandauernde politisch-ideologische Konfrontation. Der französische Militärtheoretiker und spätere General André Beaufre charakterisierte ihn schon 1939 (!) mit der paradoxen Formel des „paix-guerre“, einer indirekten Strategie mit ihrer Mischung politischer, ökonomischer, militärischer und nicht zuletzt (massen)-psychologischer Mittel und Methoden und eine Ermüdungstaktik gegenüber den friedenssüchtigen Wohlfahrts- und Schönwetter-Demokratien der nordatlantisch-europäischen Welt. Bekanntlich hat sich diese Theorie und Praxis des neuen Krieges schon im Sieg der Bauernarmee des Vietcong über die überragende Militärmacht USA wie im Sieg der afghanischen Mudschaheddin über die Militärmacht Sowjetunion bestätigt.

So what? So neu ist das also alles nicht, was wir jetzt durch den islamischen Terror erleben. Wir haben es mit dem Wandel der europäischen Form des Krieges mit allen seinen völkerrechtlichen Hegungen zur Form des Krieges zu tun, wie er seit Jahrtausenden in Asien an der Tagesordnung ist. Die europäisch-atlantische Welt, ihre Industrie- und Spaßgesellschaften mit ihrer hochempfindlichen Störungsanfälligkeit und ihrer oberflächlich optimistischen Anthropologie sind herausgefordert wie nie seit der Aufklärung und seit der Herausbildung des europäischen Staatensystems. Eine weltgeschichtliche Großepoche steht vor ihrem Ende, „und ihr könnt sagen, ihr seid dabeigewesen“.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident des Studienzentrum Weikersheim.


 
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