© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Alle Flüchtlinge haben ein Heimatrecht
Interview: Der serbische Vizepremier Nebojsa Covic fordert die Rückkehr der Serben ins Kosovo
Nikola Zivkovic

Als Student war der 1958 in Belgrad geborene Nebojsa Covic ein guter Basketballspieler. Nach seinem Maschinenbaustudium arbeitete er ab 1982 als Ingenieur und startete eine sehr steile politische Karriere - in der Partei von Slobodan Milosevic. Ab 1992 war er in der Belgrader Stadtregierung für Wirtschaft und Finanzen zuständig. 1993 wurde er Bürgermeister von Belgrad. Nach den langen Protesten bei den Kommunalwahlen 1996 kam er in direkten Konflikt mit Staatspräsident Milosevic. Covic vertrat eine zu versöhnliche Politik gegenüber dem spanischen Ex-Premier Felipe Gonzales, der damals die EU-Vermittlerrolle bekleidete. Er unterstützte die Untersuchungen der vorangegangenen Wahlen, um zu klären, ob die Opposition recht hatte mit ihrem Vorwurf, daß die Wahlen von Milosevic manipuliert wurden.

Covic mußte daraufhin die Regierungspartei von Milosevic verlassen und gründete eine eigene Partei, die später ein Teil des Oppositionsbündnisses DOS unter Führung des heutigen jugoslawischen Präsidenten Vojeslav Kostunica wurde. Vergangenes Jahr promovierte er an der Universität Belgrad. Nach der Wende in Serbien, am 5. Oktober 2000, als das DOS-Bündnis die Wahlen gewonnen hatte, begann sein zweiter politischer Frühling: Covic wurde Vizeministerpräsident der neu gewählten serbischen Regierung und Vorsitzender des staatlichen Koordinationszentrums für das Kosovo. Viele politische Beobachter betrachten ihn inzwischen als den zukünftigen „starken Mann“ Serbiens. Covic mußte in den letzten Wochen allerdings heftige Kritik von national gesinnten Oppositions- und Regierungskreisen einstecken, da er in der Kosovo-Frage gegenüber Nato, Uno und KFOR zu viele Zugeständnisse mache. Der serbische Journalist Nikola Zivkovic sprach für die JUNGE FREIHEIT mit dem Belgrader Spitzenpolitiker.

Herr Covic, in letzter Zeit hatten Sie viele Gespräche mit den führenden Politikern im Westen, darunter in Brüssel und Berlin. Was war das Hauptthema?

Covic: Der zentrale Punkt in allen Gesprächen war natürlich das Kosovo, aber auch Mazedonien, wie überhaupt die Sicherheitslage in der ganzen Region. Man kann nicht isoliert nur Südserbien oder nur das Kosovo oder nur Mazedonien betrachten, sondern man sollte alles als eine Einheit sehen. Die ganze Region ist politisch instabil geworden und zwar durch die Aktionen der albanischen Terror-Gruppen. Alles in allem bin ich zufrieden mit den Gesprächen in Berlin und Brüssel. Serbien hat endlich einen politischen Sieg erreicht: Man hat auch in Berlin eingesehen, daß man ohne Belgrad die Probleme im Kosovo nicht lösen kann. Die serbische Regierung bekam auch große Unterstützung für alles, was wir bis jetzt getan haben, damit wir im Süden Serbiens wieder eine stabile Lage haben, wo wieder Ruhe herrscht. Südserbien könnte ein Model für die ganze Region sein, und das ermutigt uns, so weiterzumachen.

Sprachen Sie auch über die Wahlen im Kosovo, die voraussichtlich im November stattfinden sollen?

Covic: Wir unterstützen die Registrierung der Serben für die Wahlen, aber zugleich haben wir betont, daß es die Bedingungen für Wahlen noch nicht gibt. Wie kann man von freien Wahlen sprechen, wenn die Serben und andere Nichtalbaner nicht einmal die Freiheit haben, bis zur Wahlurne zu gehen! Die UN-Mission im Kosovo muß zuerst die elementaren Menschenrechte für alle Nichtalbaner garantieren - erst dann kann man wirklich von freien Wahlen reden. Wir fordern, daß alle Menschen im Kosovo - und nicht nur Albaner -angstfrei leben dürfen. Uno und KFOR haben jetzt Macht und Verantwortung im Kosovo und müssen alles dafür tun, daß der wirkliche Frieden für alle Bewohner in der Region zurückkehrt, daß Serben und Nichtalbaner wieder Vertrauen in diese Institutionen gewinnen. Was uns Mut macht, ist die viel bessere Zusammenarbeit zwischen Belgrad, der UN-Mission im Kosovo und KFOR.

Probleme gibt es eigentlich nur in der Stadt Mitrovica?

Covic: Ich weiß, was Sie meinen: Probleme gibt es nur dort, wo die Serben noch nicht vertrieben wurden. Also, man könnte den Eindruck erwecken, daß es im Kosovo nur dort Konflikte gibt, wo die Serben leben, also wo die Serben noch nicht ethnisch gesäubert wurden, und daß man Ruhe in der Provinz wiederherstellen kann, wenn man die Serben vertreibt. Natürlich ist das keine Lösung. Wir müssen alles tun, damit die Serben in Mitrovica bleiben und daß man 250.000 Serben, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, wieder nach Kosovo bringt, wo ihre Häuser und Land ist, so wie die UN-Resolution 1244 vorsieht.

Man redet ständig von der Rückkehr aller Vertriebenen auf dem Balkan. Wie viele von den vertriebenen Serben sind in ihre Häuser zurückgekehrt?

Covic: Lediglich 84 Serben kamen zurück ins Kosovo, und zwar vor einigen Wochen, ins serbische Dorf Osojane. Das ist natürlich viel zu wenig. Die UN-Mission im Kosovo muß viel mehr für die vertriebenen Serben tun. Im Süden Serbiens, wo wir die Macht haben, es ist uns in wenigen Monaten gelungen für 8.500 von 12.500 Flüchtlingen die Rückkehr zu organisieren. Wir erwarten von der Uno, daß sie in gleichem Maße die Rückkehr der vertriebenen Serben ins Kosovo, zu ihren Häusern ermöglicht. Wir fordern nichts Unmögliches, nichts Ungewöhnliches: die Serben sollen auch Recht haben, in den Häusern zu leben, wo sie geboren wurden, und die ihnen gehören.

Welche Botschaft haben Sie für die Europäische Union?

Covic: Wenn es stimmt, daß man in den vergangenen Jahren Probleme mit dem serbischen, kroatischen, bosnisch-muslimischen Nationalismus hatte - jetzt gehört dieses Problem der Vergangenheit an. Man muß sich aber immer noch mit dem albanischen Nationalismus und Extremismus auseinandersetzen und ihn besiegen. Das ist eine Herausforderung für Europa.

 

Fototext: Dusan Mihajlovic, Milan Protic, Nebojsa Covic und Dragan Milovanovic mit Zoran Djindjic (r.): Neue Politik für Serbien

 

weitere Interview-Partner der JF


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen