© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Frisch gepreßt

Mecklenburg. Die Anfang der dreißiger Jahre entstandenen Bilder des Warnemünder Fotografen Karl Eschenburg (1900-1949) sind wirklich, wie es einleitend heißt, von „Feierlichkeit und Stille“ geprägt. Sie zeigen die mecklenburgische Provinz, die sich chronologisch auf die Mitte des 20. Jahrhunderts zubewegt, während die inneren Uhren der Landarbeiter, Fischer und Ackerbürger zwischen Neustrelitz und Gadebusch noch dem Zeittakt des 19. Jahrhunderts zu gehorchen scheinen. Eschenburgs Kamera erfaßt also, was Ernst Bloch als Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen beschrieben hat. Und öfter als andere Lichtbildkünstler kann er Eindrücke vom Stillstand der Zeit vermitteln. Niemand wäre also qualifizierter als Eschenburg gewesen, die „ewige Teestunde“ Lewis Carrolls im Bild zu bannen („Das alte Mecklenburg in Photographien von Karl Eschenburg“, hg. von Wolfhard Eschenburg. Mit Texten von Jürgen Borchert, Hinstorff Verlag, Rostock 2001, 224 Seiten, 200 Abbildungen, 49,90 Mark).

Innerlich geführt. Ein zweiter Scharnhorst ist Wolf Graf von Baudissin nicht geworden. Was er als Militärreformer mit dem Konzept der „Inneren Führung“ der jungen Bundeswehr zu bieten hatte, war allenfalls ein Bruch mit einigen äußerlichen Traditionen. Denn das vorgeblich neue Prinzip selbstverantwortlichen Handelns des „Bürgers in Uniform“ bestimmte schon die soldatische Ausbildung von Reichswehr und Wehrmacht. Vieles an Baudissins Ideen wirkte daher um 1960 etwas überflüssig und weltfremd - was vielleicht auch eine Folge seiner langen Gefangenschaft in Australien (1941-1947) war. Nach der jetzt veröffentlichten, wegen der Zensurrücksichten zeithistorisch leider nicht sehr ergiebigen Korrespondenz mit seiner späteren Frau, der Bildhauerin Dagmar Gräfin zu Dohna, muß man gar vermuten, Baudissin, der nach seiner Pensionierung noch eine Karriere als „Friedensforscher“ machte, habe selbst mehr innere Führung nötig gehabt als die Bundeswehr. Lernen wir doch hier einen trotz Potsdamer Erziehung eher irenischen Charakter kennen, der auf eine wahrhaft „starke Frau“ trifft, die nach der Rückkehr zunächst einmal seine „Chefin“ geworden ist („... als wären wir nie getrennt gewesen. Briefe 1941-1947“, Bouvier Verlag, Bonn 2001, 287 Seiten, Abbildungen, 49,80 Mark).


 
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