© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001

 
Jährlich eine Milliarde Mark verplempert
Finanzpolitik: Das Schwarzbuch der Steuerzahler zeigt skandalöse Verfehlungen gerade im finanzschwachen Berlin auf
Bernd-Thomas Ramb

Das jüngst erschienene „Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung“, das der Bund der Steuerzahler nunmehr zum 29. Mal veröffentlicht, enthält eine Fülle von teilweise unglaublichen Fällen, in denen schamlos Steuergelder verpraßt wurden. Es ist das große Verdienst des Bundes der Steuerzahler, einer privaten und nicht öffentlich geförderten Vereinigung, diese bürokratischen und politischen Fehlleistungen öffentlich bekanntzumachen. Nicht alle vorgestellten Fälle sind Ergebnis der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung der öffentlichen Haushalte durch die jeweiligen Landes- und Bundesrechnungshöfe. Vielfach beruhen die Ermittlungen auf Meldungen einzelner Bürger oder vertraulichen Hinweisen von Beamten, die die Vergeudung von Staatsmitteln nicht länger tatenlos mit ansehen können. Der Bund der Steuerzahler kann in diesen Fällen als einziger eine öffentlich wahrgenommene Anklage führen. Aber auch bei den durch die Rechnungshöfe erfaßten Tatbeständen staatlicher Mißwirtschaft führt häufig weniger der amtliche Prüfbericht als vielmehr die pointierte Darstellung durch das Schwarzbuch zu einem hörbaren Echo in der Medienlandschaft.

Wer die Veröffentlichungen des Steuerzahlerbundes regelmäßig liest, ist immer wieder erstaunt über die ständige Wiederholung der gleichen Sündenfälle. Mittlerweile folgen die Berichte einer festen Systematik der Vergehensarten. Da ist die Rubrik „Schildbürgerstreiche“, mit komfortablen Luxusbushaltestellen an Orten, an denen niemals ein Bus vorbeifährt. Unter „Fehlplanungen und Bauskandale“ finden sich der Neubau einer Feuerwehrstation in einem lärmgeschützten Wohngebiet oder die Errichtung einer 66-Millionen-Mark teuren Gesamtschule, obwohl die bestehenden Schulen keine Raumprobleme haben. Unter der Überschrift „Es ist ja nicht mein Geld“ werden Fälle von bürokratischer Engstirnigkeit und regionalpolitischer Großmannssucht geschildert. So verzichtete beispielsweise die Deutsche Bahn auf das Kaufangebot eines Käufers, der eine zur Verschrottung vorgesehene Lokomotive für 100.000 Mark erwerben wollte, weil man das siebenfache verlangte. Im Ergebnis wurde dann die Lokomotive tatsächlich verschrottet, obwohl dies nochmals Zusatzkosten von 7.000 Mark verursachte. Generell sind die Verschwendungen im Verkehrsbereich so gravierend und häufig, daß diesem Thema ein eigenes Kapitel „Verschwendung ohne Tempolimit“ gewidmet ist.

Ein weiterer Schwerpunkt lautet „Treue Diener - teure Diener“. Luxusreisen, Luxusdienstfahrzeuge und Luxusdiners sind nach wie vor keine Seltenheit im Leben der Staatsdiener. Ein besonders delikates Beispiel betrifft die Bundeshauptstaat Berlin: „Der 100.000-DM-Auftrag für die Renovierung des Schlosses Britz wurde vom Bezirksamt Neukölln freihändig vergeben. Innerhalb von wenigen Tagen bekam das Schloß einen neuen Anstrich. Die kurze Dauer weckt Zweifel daran, daß die Arbeiten sach- und fachgerecht durchgeführt worden sind. Aufgrund der fehlenden Ausschreibung kann nicht nachvollzogen werden, ob es sich um das für die gebeutelte Staatskasse günstigste Angebot handelte. Anlaß für die Blitzaktion war ein Besuch des Kanzlers. Im Schloß wurde ein Essen veranstaltet, zu dem zwölf europäische Vorsitzende der sozialdemokratischen Parteien eingeladen waren, die zugleich Staatsoberhäupter sind. Dieses Essen ging auf Rechnung der Steuerzahler. Ungefähr 43.000 Mark (14 Hauptessen und 36 Nebenessen) plus rund 6.000 Mark für die Pressebetreuung wurden nach Angaben des Bundesfinanzministeriums dafür ausgegeben. Dieses meint, daß Ursache oder Anlaß des Besuches keine Rolle spielen. „Nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler muß ein Gastmahl für Parteifreunde aus der Parteikasse finanziert werden“, heißt es durchaus nachvollziehbar im Schwarzbuch.

Überhaupt offenbart das finanzarme Berlin erstaunliche Fälle von Steuerverschwendungen, die nicht immer aus der Bundeskasse beglichen werden, sondern den Berliner Steuerzahler unmittelbar belasten. Das Schwarzbuch stellt fest: „Baukostenüberschreitungen sind in Berlin bei Bauprojekten der öffentlichen Hand leider nichts Neues“. Das Projekt am Winterfeldtplatz „Erweiterung und Umbau der Schulanlage, Neubau einer Kindertagesstätte und einer Sporthalle“ ist ein Beispiel dafür. „Die Architektur mag den Betrachter an die hängenden Gärten der Semiramis erinnern. So phantastisch das Äußere anmutet, so phantastisch sind auch die Kosten. Insgesamt waren Baukosten in Höhe von 38,4 Millionen Mark veranschlagt. Nun betragen sie rund 60,94 Millionen Mark. (Zum Vergleich: Eine Sporthalle oder eine Kita ’von der Stange‘ kosten etwa fünf bis acht Millionen Mark). Die Baukostenüberschreitung liegt damit bei 59 Prozent.“ Wahrscheinlich gereichte den Berlinern das Gebaren des Bundes zum schlechten Vorbild, denn auch die internationale Dokumentations- und Begegnungsstätte „Topographie des Terrors“ katapultiert die Entstehungskosten in astronomische Bereiche. Die ursprünglich eingeplanten 45 Millionen Mark wurden bald darauf auf 76 Millionen erhöht. Angeblich soll der Gesamtaufwand nun jedoch 90 Millionen betragen, so daß ein vorläufiger Baustopp verhängt werden mußte, bis die tatsächlichen Kosten geklärt sind.

Besonders heikel ist der Casus des Berliner Nobelkrematoriums, das kürzlich am Baumschulenweg errichtet wurde. Die 700 Mark Einäscherungsgebühren wollten die Angehörigen in weit weniger als den eingeplanten 12.000 Beerdigungsfällen berappen. In Wedding und Ruhleben ist die Feuerbestattung für 100 Mark weniger zu haben, und das benachbarte Brandenburg lockt sogar mit Kampfpreisen von 300 Mark pro Einäscherung, so daß mittlerweile pietätlos von einem „Leichentourismus“ gespottet wird. Statt die Preise rigoros zu senken, wie es in der Privatwirtschaft unumgänglich wäre, denkt die Berliner Verwaltung über eine Schließung des neuerbauten Krematoriums nach.

Die skandalöse Verschwendung von Steuergeldern in Berlin wie anderswo wird wahrscheinlich auch dieses Jahr wieder kaum zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Es fehlt nicht zuletzt an entsprechenden gesetzlichen Möglichkeiten. Dabei ließen sich mit einer verschärften Bekämpfung und Bestrafung der Steuerverschwendung einige Steuererhöhungen locker vermeiden und so manches Haushaltsloch stopfen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen