© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001


Brisantes über den Islam
Alexander Barti

Es gibt Informationsbroschüren, die über zwanzig Jahre nach ihrem Erscheinen nichts an Aktualität eingebüßt haben. In einer zweiten Auflage einer 1980 auf Empfehlung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß erschienenen Schrift analysiert der Politologe und Ex-Marxist Mohammed Djassemi den islamischen Fundamentalismus. Dabei konzentriert sich der Perser auf seine Heimat Iran und stellt die Grundzüge der dortigen islamischen Ideologie dar.

Besonders vorteilhaft ist, daß sich Djassemi auf Primärquellen stützen kann. Fundament seiner Betrachtungen sind die zehn Punkte der „Grundzüge der islamischen Ideologie“ von Ayatollah Khameneh-i. Als nachteilig stellt sich die ideologische Herkunft Djassemis heraus, denn offenbar fehlt ihm ein tieferes Verständnis für das Religiöse. Abgeklärt wie ein gänzlich säkularisierter „Westler“, sieht der Verfasser die Religion nur als humane Soße, deren Hauptzutat die Toleranz ist. Trotzdem gelingt ihm eine differenzierte Analyse. In der Enleitung werden die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten geklärt, und auch die „vom offiziellen Islam verworfenen Sekten der Wahabiten in Saudi-Arabien“ finden Erwähnung. Das Menschenbild der schiitischen Muslims sei geprägt von einer prinzipiellen Gleichheit und Freiheit. Gleichwohl wird anerkannt, daß Gott die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet hat, so daß jeder entsprechend unterschiedlich Gott zu dienen hat. Sogar ein Widerstandsrecht gegen ungerechte Herrscher kann Djassemi mit Koran-Zitaten untermauern. Ebenso schlüssig ist der Kommentar zum „Heiligen Krieg“ (Dschihad), der bis zur „Wiederkehr des 12. Imam“ vor allem ein innermenschlicher Prozeß zur sittlichen Vervollkommnung sein soll und mit aggressiven Kriegshandlungen nichts gemein habe. So kommt der Verfasser letztlich immer wieder zu der Feststellung, daß die „Mullakratie“ im Iran kein „Gottesstaat“ ist, sondern eine Diktatur von Theologen, die sich durch eine unzulässige bzw. fehlerhafte Interpretation des Islam für unfehlbar erklärt haben. Als geläuterter Linker widmet Djessami sein besonderes Augenmerk den Fragen nach dem Zweck des Staates und nach dem Aufbau der Wirtschaft. In seinem Abschlußkapitel konstatiert der Verfasser durch den Vormarsch des Fundamentalismus eine „Krise der Vernunft“ und begeht damit einen typischen Fehler der Aufklärer, denn: Vernunft ist weder per se „gut“, noch muß sie göttlichen Geboten widersprechen.

 

Mohammed Djassemi: Der islamische Fundamentalismus. Grundzüge der islamischen Ideologie im Iran. Videel Verlag, Niebüll 2001.


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