© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Osama ist auch ein kanadischer Name
Kanada: Der Nato-Partner und Nachbarstaat der USA in Anti-Terror-Allianz / Kritik von Linken und Nationalen
Ronald Gläser

Als natürliche Verbündete der USA werden auch die Kanadier sukzessive in den Konflikt mit Osama bin Laden hineingezogen. Bei ihnen spielen sich zur Zeit ähnliche Szenen ab wie hierzulande. Auf Postämtern oder bei ausgesuchten Personen finden sich pulverhaltige Briefumschläge. Die Öffentlichkeit ist besorgt über ABC-Angriffe. Die kanadische Bevölkerung hat in früher unvorstellbaren Gesten ihre Solidarität bekundet. Die Stars and Stripes wurden allerorts geflaggt. Auch in Kanada haben sich die Terroristen zeitweise aufgehalten, so daß viele Kanadier befürchten, das eigene Land könne ebenfalls Ziel fundamentalistischer Aktionen werden.

Die Ängste sind teilweise offenbar auch in Haß umgeschlagen. Zeitungsmeldungen zufolge haben sich im ganzen Land etwa 100 Übergriffe gegenüber Moslems oder Arabern ereignet.

Aber auch auf eine konventionelle Art der Kriegführung wird der nördliche Nachbar der USA in die Vergeltungsschläge involviert. Die Regierung sagte den USA nach den ersten Angriffen auf die Taliban-Stellungen in Afghanistan ihre vorbehaltslose Unterstützung zu. Die Regierung Chrétien ist bereit, sich aktiv an den Bombardements zu beteiligen.

Im Gegenzug haben die Amerikaner vorgeschlagen, sich am Schutz der kanadischen Außengrenzen zu beteiligen. Obwohl das Land über ein 250.000-Mann-Heer verfügt, gibt es offenbar Bestrebungen in der Regierung, dieses Angebot anzunehmen.

Kritik wird von verschiedenen Seiten geäußert. Einerseits sehen viele Kanadier die Übertragung hoheitlicher Rechte auf US-Streitkräfte als Verstoß gegen die Souveränität ihres Landes an. Im Parlament gibt es ebenso Widerstand gegen den bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Weißen Haus. Die linksliberale New Democratic Party (NDP) besteht auf einer Führung durch die Vereinten Nationen.

Die New Democratic Party ähnelt den Grünen in Deutschland und nimmt deren Standpunkte ein. So konzentriert sich die Partei bei innenpolitischen Forderungen auf die Gleichstellung von Homosexuellen und die Bekämpfung des Rassismus. Angesichts der Übergriffe nach den Terroranschlägen erklärte die Vorsitzende der Partei, Alexa McDonough, Osama oder Mohammed seien kanadische Namen. Und es sei eine kanadische Reaktion, in einer Moschee zu beten.

Aber nicht nur linke Kritiker hat die bedingungslose Unterordnung gegenüber Amerika auf den Plan gerufen. Auch innerhalb der Regierung gibt es Spannungen hinsichtlich der Außenpolitik des Landes. Der amtierende Außenminister John Manley gilt als Hardliner und steht entschlossen an der Seite der Vereinigten Staaten. Sein Amtsvorgänger Lloyd Axworthy aber erinnerte ebenfalls an die traditionelle Rolle, die die Vereinten Nationen und Kanada in multinationalen Militäraktionen gespielt haben.

Axworthy will nicht, daß die Streitkräfte des Landes unter den Befehl der Vereinigten Staaten gestellt werden. Er setzt sich daher für die Einrichtung eines Militärtribunals ein, zumal die derzeitigen Vergeltungsschläge kein Konzept erkennen ließen. Genau dies aber lehnt die Bush-Regierung vehement ab, weil sie den neuen Krieg im Alleingang und ohne lästige Verbündete zu Ende führen will.

Auch in Fragen der inneren Sicherheit tun sich Konflikte auf. Die Chretien-Regierung hat die Strafgesetze verschärft und den Spielraum der Ermittlungsbehörden erweitert. Rund 300 Millionen Mark fließen in ein Sofortprogramm gegen den Terrorismus. Ein Sprecher der Anwaltkammer äußerte sein Unverständnis über die Gesetzesänderungen: So weitgehende Befugnisse der Polizei habe er nie für möglich gehalten.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen