© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Der ratlose Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
Arbeitsmarkt: Es gibt nicht nur Rechtschreibfehler im Job-Aqtiv-Gesetz der Bundesregierung
Bernd-Thomas Ramb

Nach dem August vermelden auch die Septemberzahlen des Arbeitsamtes eine negative Entwicklung. 3,743 Millionen Arbeitslose bedeuten einen Anstieg von mehr als 58.000 gegenüber dem September des letzten Jahres. Von den Wunschzahlen des Bundeskanzlers mit unter 3,5 Millionen Arbeitslosen im nächsten Jahr, dem Jahr zur Wahl des nächsten Bundestags, ist der Arbeitsmarkt weit entfernt. Die momentanen Zahlen profitieren sogar noch von den guten Saisonzeiten. Die Winterarbeitslosigkeit steht jedoch bevor. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, rechnet in diesem Jahr mit durchschnittlich 3,85 Millionen Arbeitslosen. Nach wirtschaftswissenschaftlichen Schätzungen wird diese Meßgröße im kommenden Jahr kaum unter vier Millionen fallen.

Die Nürnberger Bundesanstalt erwartet derzeit ein Defizit von 3,6 bis 3,9 Milliarden Mark, das noch in diesem Jahr durch Bundeszuschüsse zu stopfen ist. Bundesfinanzminister Eichel hingegen bleibt bei seinen Hoffnungen, daß die Bundeszuschüsse den geplanten Rahmen von 1,2 Milliarden nicht überschreiten müssen. Gegen die erheblich höheren Zuschußforderungen wird er sich allerdings nicht wehren können. Die Bundeskasse ist zur Deckung der Finanzierungslöcher im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit verpflichtet. Im kommenden Jahr könnte der Zuschußbedarf der Nürnberger sogar auf fünf Milliarden steigen. Angesichts solcher Summen verbietet sich die Fortsetzung der zaghaft begonnenen Diskussion um eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von selbst.

Auch an der zweiten Front, der Reform der Arbeitsförderung, geht die tatsächliche Entwicklung an den Wunschvorstellungen vorbei. Zum ersten Januar des nächsten Jahres tritt das sogenannte Job-Aqtiv-Gesetz in Kraft, wobei das flippige Wort „aqtiv“ aus den Anfängen der Wörter Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren und Vermitteln gebildet ist. Eigentlich nichts Neues für das Aufgabengebiet der Arbeitsämter, so daß schnell der Eindruck entsteht, hier wird kaum mehr als Kosmetik betrieben. Unter Aktivieren wird im neuen Gesetz eine Neuausrichtung der Arbeitsvermittlung angestrebt, die insbesondere den Problembereich der Langzeitarbeitslosen besser und schneller in den Griff bekommen will. Das einzig wirklich Neue ist dabei die künftige Möglichkeit, andere (private) Arbeitsvermittlungsorganisationen für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen des Arbeitsamtes zu honorieren. Ansonsten bietet dieser Ansatz vor allem Planstellen für 3.000 zusätzliche Arbeitsvermittler - hoffentlich aus dem Bestand der Arbeitslosen selbst. Unter dem neuen Stichwort „Eingliederungsvereinbarung“ versteckt sich eine zusätzliche Bürokratisierung der beiderseitigen Verpflichtungen von Arbeitsamt und Arbeitslosen zu beschäftigungsfördernden Aktivitäten. Können sich beide Seiten aber nicht auf einen gemeinsamen Text einigen, bleibt alles beim alten Schlendrian. Als weitgehend zahnlos dürfte sich auch das geplante Instrument der Job-Rotation herausstellen. Was in einem kleinen Land wie Dänemark noch halbwegs funktioniert, kann im arbeitsmarktverkrusteten Deutschland kaum zum breiten Erfolg führen.

Eindeutig kontraproduktiv ist die geplante Reform der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren rechtlicher Rahmen beträchtlich erweitert werden soll. Bislang durften solche Stellen nur besetzt werden, wenn die entsprechenden Arbeiten nicht oder nur sehr verspätet durch private Firmen durchgeführt werden konnten. Demnächst dürfen ABM-Kräfte ohne diese Beschränkungen - auch von Privatfirmen - angeheuert werden. Damit ist ein Sturmlauf auf ABM-Mitarbeiter vorprogrammiert. Firmen, die nicht in den Genuß von staatlich subventionierten AB-Maßnahmen kommen, können mit ihren regulären Arbeitskosten im Preiskampf nicht mehr mithalten. Es drohen damit zusätzliche Entlassungen. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wird zur Arbeitsvernichtungsmaßnahme. Zudem wird der Kreis der Arbeitslosen erweitert, die auf ABM-Stellen gesetzt werden können. Neben den Langzeitarbeitslosen sind es künftig auch die Berufsrückkehrer. Die Einschränkung, daß nach Abschluß einer ABM-Beschäftigung drei Jahre Wartezeit bis zur Wiederholung einzuhalten sind, dürfte kaum die steigende Attraktivität dieser Subventionsmaschinerie beeinträchtigen. Die allgemeine Hilflosigkeit der Arbeitslosigkeitsbekämpfung offenbart sich schließlich in der neuformulierten Kontrolle der Wirksamkeit arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Eigentlich sollten solche Untersuchungen für ein staatliches Institut selbstverständlich sein. Objektive und selbstkritische Kosten-Nutzen-Analysen könnten allerdings zum Ergebnis führen, daß die bisherige Arbeitsmarktpolitik einer gründlicheren Revision bedarf als das vorliegende Job-Aqtiv-Gesetz. Die erwartete negative Entwicklung bei den Arbeitslosenzahlen wird es jedenfalls kaum abwenden können. 


 
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