© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Meldungen

Nationen: Bändiger des ökonomischen Leviathan

SANKT AUGUSTIN. „Es gehört keine hellseherische Kraft dazu vorauszusagen, daß das Multikultiprojekt bei der ersten wirklich ernsthaften sozialen Krise endgültig auf Sand gesetzt sein wird.“ Trotzdem, so meint der in Freiburg Politische Philosophie lehrende Richard Hesse in einem Beitrag für Die politische Meinung (9/01), werde dieses neudeutsche Modell als pädagogisches Projekt dem Rest der Welt empfohlen. Das „deutsche Wesen“ sei nun halt „multikulturell“. Statt sich einer solchen Hybris hinzugeben, sollte sich die Berliner Polit-Elite aber lieber darauf besinnen, daß der Nationalstaat weiter ein wesentlicher weltpolitischer Faktor bleibe. Nur die Nationalstaaten könnten als konkurrenzfähige Machtzentren „die zerstörerischen und selbstzerstörerischen Kräfte des globalen Privatkapitalismus noch zivilisieren“.

 

Pädagogik hat Kraft der Orientierung eingebüßt

BONN.Bildung, einst ein anthropologischer Fundamentalbegriff für das Selbstverständnis des Menschen in seiner Welt, sei heute kaum mehr als eine Worthülse für beliebiges Füllmaterial. Was nicht zuletzt, so die Bielefelder Theologin Gisela Kittel (For-schung&Lehre 9/01) auf die „Demontage und Verdächtigung des Begriffs in Erziehungswissenschaft und Politik seit den sechziger Jahren“ zurückzuführen sei. Bildung wurde seitdem als idealistisch, traditionalistisch und elitär verunglimpft. Die akademische Pädagogik verstand sich fortan als wertfreie, „voraussetzungslose“ Wissenschaft, die Erziehungs- und Lernprozesse nur noch deskriptiv erfassen wollte. Wie Kittel meint, habe sie dadurch an „orientierender Kraft“ eingebüßt, die sie im Dialog mit der Theologie, die sich von den Problemen der „Bildung“ nie verabschiedet habe, zurückgewinnen sollte.

 

Hilfe beim Abbau der nationalen Identität

BERLIN. Seit 1975 widmet sich das in Braunschweig residierende Georg-Eckert-Institut (GEI) als Anstalt des öffentlichen Rechts der internationalen Schulbuchforschung. Vor allem die vom GEI ins Leben gerufene deutsch-polnische Schulbuchkommission ist in Vertriebenenkreisen so bekannt wie berüchtigt. Die Braunschweiger Spezialisten für „politisch belastete Zeitgeschichte“ sollen ihre volkspädagogischen Fähigkeiten jetzt im fernen Asien unter Beweis stellen. Zwischen Japan und Südkorea tobt ein erbitterter Streit über Geschichtsbücher, die aus Sicht Seouls den „aggressiven japanischen Expansionismus“ zwischen 1900 und 1945 als „Kampf gegen den westlichen Imperialismus“ verfälscht und verherrlichten (Deutsche Universitäts-Zeitung, 17/01). Aus Braunschweiger Sicht herrscht in beiden Ländern ein zu „national bestimmtes Geschichtsverständnis“, das nach bundesdeutschem Modell wohl im Rahmen pädagogischer Entwicklungshilfe demnächst destruiert werden soll.

 

Der Büchersammler Hans Fallada

WIESBADEN.Ungewöhnliche Einblicke in die Biographie Hans Falladas (Rudolf Ditzen) vermittelt Manfred Kuhnke, der den Schriftsteller („Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“) als Büchersammler porträtiert (Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, H. 162/01). Die Leidenschaft für „falsche“ Bücher (Nietzsche, O. Wilde) habe schon den jungen Ditzen zu einem Doppelselbstmordversuch getrieben, bei dem er einen Schulfreund tötete. Aus der Bahn geworfen, kam Ditzen in den zwanziger Jahren häufiger mit dem Gesetz in Konflikt. Knappe Mittel und ein unstetes Wanderleben beschränkten die Sammelleidenschaft auf Reclamhefte. Erst literarische Erfolge ermöglichten den Aufbau einer wertvollen Bibilothek, die Fallada ab 1945 auf dem Schwarzmarkt verscherbeln mußte.


 
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