© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/01 02. November 2001

 
Ein Enteigneter packt wieder an
Reprivatisierung: Die 1972 verstaatlichten sächsischen Margon-Mineralbrunnen-Werke sind wieder auf Erfolgskurs
Paul Leonhard

Es prickelt wieder auf der Außenhaut des Hochhauses. Die Dresdner blicken zufrieden an dem frisch renovierten Behördenhochhaus auf der Budapester Straße 5 hinauf. „Prickelnd frisch“ steht da und ein halbvolles Glas sprudelnden Wassers ist zu sehen: Werbung für ein Produkt aus dem sächsischen Burkhardswalde, das fast 90 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern kennen: Margonwasser. Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer, der bereits deutschlandweit durch seinen Einsatz für den Erhalt des mitteldeutschen Ampelmännchens auf sich aufmerkam gemacht hat, hat auch durchgesetzt, daß die Margon-Reklame nach der Renovierung des maroden DDR-Gebäudes nach Originalplänen wieder angebracht wird. Überdies steht die aus den fünfziger Jahren stammende Reklame unter Denkmalschutz. Ursprünglich zierte sie das Hotel „Excelsior“ in der Nähe des Hauptbahnhofes der Landeshauptstadt. Später fand die Reklame ihren Platz am Giebel eines Neubaus, der 1967 für den Wirtschaftsrat des damaligen Bezirkes Dresden errichtet wurde. Jetzt wurde das Gebäude von der Dresdner Niederlassung der Treuhandliegenschaft (TLG) für rund 17 Millionen Mark saniert, und die historische Werbung strahlt wieder zum Altmarkt. Im Wirtschaftsministerium ist man stolz auf diesen Anblick, schließlich verbirgt sich dahinter auch ein Stück jüngster Wirtschaftsgeschichte und eine erfolgreiche Reprivatisierung.

In zwei Jahren wird Margon auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken können. Um die Jahrhundertwende entdeckte der Mykologe und Psychotherapeut Gottfried Moritz Gössel, daß das Quellwasser in Burkhardswalde bei Dresden eine hervorragende Qualität besitzt. 1903 gründete er schließlich ein Unternehmen, und bereits ein Jahr später erhielt das von ihm kreierte „Margonwasser“ auf der Lebensmittelausstellung in Hamburg-Altona als „vorzügliches Kurwasser“ die höchste Qualitätsauszeichnung. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren die unter dem Namen „Gössel Gesundbrunnen“ vertriebenen Produkte aus dem Mineralbrunnen im malerischen Müglitztal zwischen Erzgebirge und Elbe weit über Sachsen hinaus gefragt. Im August 1945 übernahm der gelernte Lebensmittelfachmann und gebürtige Westpreuße Artur Kunz das zu diesem Zeitpunkt am Boden liegende Unternehmen von der Erbengemeinschaft Gössel.

Als 1972 auch die verbliebenen privaten Unternehmen von der SED-Diktatur zwangsverstaatlicht wurden, blieb Kunz als Betriebsdirektor im nun mehr volkseigenen Margon-Werk. Bis 1981 leitete er die Geschicke und sorgte dafür, daß die Produkte aus Burkhardswalde einen für DDR-Verhältnisse hervorragenden Ruf besaßen und ihr hohes Qualitätsniveau hielten. Damals sei Margon das beliebteste alkoholfreie Getränk gewesen, versichert der heute 85jährige stolz, der übrigens im April 2001 ein Buch unter dem Titel „Mein Leben als Unternehmer in der DDR“ veröffentlicht hat. Sofort nach dem Zusammenbruch des SED-Staates drängte der Rentner auf Reprivatisierung seines Unternehmens. Bereits im Juni 1990 war er wieder offiziell Eigentümer des Margon-Werkes, das er weitere fünf Jahre leitete. Erst 1995 verkaufte er seine Firmenanteile endgültig an die Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. Zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschlands größter Mineralwasser-Produzent bereits enorme Investitionen im Müglitztal getätigt. Insgesamt steckte der Branchenriese zwischen 1991 und 2001 mehr als 116 Millionen Mark in die Margon Brunnen GmbH. So wurden moderne Abfüll- und Labortechnik installiert, eine neue Reinigungs- und Desinfektions- sowie eine Chemikalienanlage eingebaut und die Lagerkapazität auf 8.000 Quadratmeter erweitert. Als erster Brunnen in den neuen Bundesländern erhielt Margon 1994 das Zertifikat für das Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 2000.

Noch 1996 bediente das Unternehmen den Markt mit 25 Produkten auf der Basis natürlichen Mineralwassers. „Margon Medium“ machte damals 70 Prozent, Limonaden 15 und Bittergetränke 15 Prozent der Produktion aus. Später baute Margon die Produktvielfalt aus, was sich als verhängnisvoll erweisen sollte. Obwohl noch im Geschäftsjahr 1999 ein Umsatz von 37,5 Millionen Mark erzielt und 743000 Hektoliter Erfrischungsgetränke überwiegend in Sachsen abgesetzt wurden, geriet das traditionsreiche Unternehmen Anfang des Jahres in Schwierigkeiten und schrammte nur kurz an seinem Aus vorbei. Trotz einer Umsatzsteigerung um 1,6 Prozent auf 38 Millionen Mark und 77,5 Millionen im Jahr 2000 verkauften Litern (4,3 Prozent mehr als im Vorjahr) geriet Margon in die roten Zahlen. Schuld war offenbar eine zu stark erweiterte Produktpalette. So mußte die neue, neun Millionen Mark teure Abfüllanlage für die ultraleichten 1,5-Liter-Mehrwegflaschen zu häufig umgestellt werden und sorgte im Sommer 2000 für eine Serie von Lieferengpässen. Man habe Fehler gemacht, räumte im Februar Aufsichtsratschef Peter Trautmann ein. Der neue Margon-Geschäftsführer Jörg Croseck sprach sogar von einem Jahr der „Wirrungen und Wallungen“. Nach seinen Angaben sei der Anteil am sächsischen Mineralwassermarkt von 15,1 Prozent 1999 auf 13,2 Prozent zurückgegangen.

Das neue Konzept, das sich seit einem halben Jahr bewährt und mit dem wieder schwarze Zahlen erreicht werden sollen, sieht vor, die Produktvielfalt von mehr als 70 auf 24 Angebote zu schrumpfen. Auf 50 Geschmacks- und Verpackungssorten verzichtet Margon seit der Umstellung im vorigen Jahr. Außerdem soll die Produktion um fünf Prozent steigen. Die Zahl der Mehrweg-Plastikflaschen soll sich verdreifachen. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, will die Muttergesellschaft Gerolsteiner noch einmal kräftig in die Weiterbildung der zur Zeit 119 Beschäftigten und die Werbung investieren. Dabei kommt ihr die frisch sanierte Werbung an der Budapester Straße gerade recht.

Schließlich weist sie im Charme der fünfziger Jahre auf die ungebrochene Tradition des Unternehmens hin. Und das Prickeln des Wassers animiert die Dresdner, in der benachbarten Einkaufsmeile denselben alkoholfreien Durstlöscher wie schon seit Jahrzehnten zu kaufen: Margonwasser aus Burkhardswalde. Übrigens existiert noch eine zweite Reklame für Margonwasser aus den Anfängen der DDR. Sie ziert ein Wohnhaus an der Bundesstraße 172 in Pirna.


 
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