© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Vorwürfe entkräftet
Landsmannschaft Ostpreußen bestätigt Wilhelm von Gottberg
Matthias Bäkermann

Am vergangenen Wochenende traf sich in Bad Pyrmont die ostpreußische Landesvertretung als höchstes Entscheidungsorgan der Landsmannschaft Ostpreußen. Überschattet wurde die Tagung von der Auseinandersetzung zwischen Schatzmeister Alfred Nehrenheim und dem Sprecher der Landsmannschaft Wilhelm von Gottberg.

Vorausgegangen war eine Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 27. Juni dieses Jahres, in der der Verbandsführung vom Schatzmeister vorgeworfen wurde, sie habe unterschlagen und veruntreut. Gegenstand dieses Vorwurfes war ein Nachlaß aus dem Jahr 1993, welcher durch die Erblasserin an besondere Zwecke gebunden wurde. Das Geld sollte nämlich nur „bedürftigen Ostpreußen“ zukommen, die nachweislich in der fernen deutschen Provinz geboren sind oder noch dort leben. Gegenüber dem Focus vom 5. November gab Nehrenheim die Auskunft, er habe nichts von den insgesamt vererbten 800.000 Mark in den Büchern der Landsmannschaft Ostpreußen finden können und nehme an, dieses Geld sei nicht bei den rechtmäßigen Adressaten angekommen. Aus dem Grunde bestünde auch der Straftatbestand der Steuerhinterziehung, denn dieses Geld sei nur wegen seiner gemeinnützigen Zweckbindung von der Erbschaftssteuer befreit gewesen.

Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT gab Sprecher Wilhelm von Gottberg an, daß der Schatzmeister, seit 1998 im Amt, über den Nachlaß wider besseres Wissen falsche Angaben gegenüber Focus gemacht hätte - der Nachlaß sei wegen seiner Zweckbindung seit jeher auf dem Treuhänderkonto des Bad Oeynhausener Rechtsanwaltes verblieben, der auch das Testament vollstreckt habe. Auszahlungen von diesem Treuhänderkonto wurden immer gegen eine direkte Begründung im Sinne der Erblasserin über diesen Rechtsanwalt vorgenommen, ein großer Teil des Geldes befände sich noch auf dem Konto.

Auf dieses Konto angesprochen, äußerte Nehrenheim gegenüber der JF, er wisse von dem Treuhänderkonto und habe, wie es im Focus-Artikel den Anschein macht, auch nicht den Verbleib der 800.000 Mark in Frage gestellt, sondern die bislang erfolgten Auszahlungen an „bedürftige Ostpreußen“. Nehrenheim bezichtigt den Sprecher der Landsmannschaft, die Auszahlungen dazu benützt zu haben, ihm in der Verbandspolitik konforme Mitarbeiter zu bevorteilen, von Gottberg habe die „Bedürftigkeit“ dahingehend ausgelegt.

Auf der Tagung am Wochenende wurde das Ergebnis eines verbandsinternen Prüfungsausschusses vorgestellt, der bereits im Sommer vom Sprecher mit der Untersuchung dieses „Falles“ beauftragt wurde, um „alle gegen meine absolut saubere Führung erhobenen Vorwürfe zu entkräften“, wie von Gottberg begründete. Die Untersuchung wurde außerdem durch ein Gutachten eines Notars und Wirtschaftsprüfers aus Siegen gestützt.

Nachdem der Prüfungsausschuß die Vorwürfe des Schatzmeisters entkräfteten konnte, wurde der seit zehn Jahren an der Spitze der Landsmannschaft stehende von Gottberg ebenso wie seine beiden Stellvertreter Bernd Hinz und Wolfgang Thüne mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Der Schatzmeister Alfred Nehrenheim wurde mit über 95 Prozent nicht von seinem Amt entlastet. Einen vorher gestellten Antrag auf Nichtentlastung des gesamten Vorstandes begründete der Schatzmeister mit der beabsichtigten Thematisierung der Kassensituation. Offiziell wird die Nichtentlastung damit erklärt, daß die Vorwürfe über strafbare Machenschaften des Sprechers unbegründet und persönlicher Natur seien. Diese Haltung deckt sich mit der Darstellung von Gottbergs, der die persönliche Animosität zwischen ihm und seinem Schatzmeister in „einem sich aufbauenden Problem der Subordination“ sieht, die sich in den letzten Monaten durch eine gezielte Arbeit gegen seine Person auszeichnete.

Eine „nicht stimmende Chemie“ konstatiert auch Nehrenheim. Diese habe sich im Laufe der dreijährigen Amtszeit entwickelt, da von Gottberg einen äußerst rigiden Führungsstil habe, der sogar zu einem ihm gegenüber ausgesprochenen Hausverbot im Mai dieses Jahres führte. Er halte nach wie vor an seinen Vorwürfen fest und habe das auch durch seine Zeugenaussage am 5. November dokumentiert. Im direkten Zusammenhang mit den Geschehnissen behage ihm darüberhinaus die Ausrichtung des Verbandes immer weniger, besonders mißfalle ihm das Ostpreußenblatt, das sich„seit geraumer Zeit immer weniger mit Ostpreußen als mit tagesaktuellen Themen beschäftigt.“

Ein gütlicher Ausweg aus dieser Situation deutet sich nicht an. Nehrenheim wurde auf der Ostpreußischen Landesvertretung, bestehend aus den Delegierten der 16 Landesgruppen und den 40 Heimatkreisgemeinschaften, durch den bayerischen Landesgruppenvorsitzenden Friedrich-Wilhelm Böld abgelöst. Außerdem schließt die Landsmannschaft Ostpreußen straf- und zivilrechtliche Schritte gegen ihren ehemaligen Schatzmeister nicht mehr aus. Das anhängige Strafverfahren gegen Unbekannt werde derweil geprüft, Rüdiger Baggert, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Hamburg spricht sogar von einer „formalen Ermittlung“.

Davon unbeeindruckt glaubt Wilhelm von Gottberg, der die „haltlosen Vorwürfe seit vergangenem Wochenende vollständig entkräftet sieht“, daß der „absurde Versuch einer kleinen Gruppe, die Integrität der Funktionsträger zu beschädigen“ vereitelt sei. Zu hoffen bleibt allerdings, daß der Rückhalt der von der Landsmannschaft vertretenen 400.000 Ostpreußen durch die Ereignisse nicht beeindruckt wurde.


 
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