© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Mit einem Freispruch wird fest gerechnet
Hamburg: Der Prozeß wegen Rechtsbeugung gegen den frisch gebackenen Innensenator Ronald Schill geht in die nächste Runde
Peter Freitag

Anderthalb Monate nach seiner Ernennung wird sich Hamburgs Zweiter Bürgermeister und Innensenator Ronald Schill für ein mögliches Vergehen des Amtsrichters Ronald Schill aus dem Jahre 1999 vor Gericht verantworten müssen. Am 14. Dezember wird der Prozeß gegen Schill wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts wieder aufgerollt.

Ende vorigen Jahres hatte dasselbe Gericht Schill wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt, da er die Weiterleitung von Haftbeschwerden zweier Mitglieder der autonomen Szene angeblich bewußt verschleppt habe. Schill hatte daraufhin Revision eingelegt; ebenso die Staatsanwaltschaft, da sie auch den Tatbestand der Freiheitsberaubung als gegeben ansah.

Der Bundesgerichtshof hob darauf Anfang September das Urteil gegen Schill auf und verwies die Sache zur Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurück. Die Leipziger Richter begründeten ihre Urteilsaufhebung damit, daß sich aus der Beweisführung kein elementarer Rechtsbruch durch den damaligen Richter Schill ergab. Schill hatte 1999 zwei Zuschauer, die seine Urteilsverkündung gestört hatten, zu einer dreitätigen Ordnungshaft verurteilt, die sofort vollstreckt wurde. Die Haftbeschwerde der beiden hatte er dann erst am übernächsten Tag an das Oberlandesgericht weitergeleitet, das die Verurteilung aufhob (da Schill die Vorgänge nicht vollständig protokolliert hatte) und die Inhaftierten umgehend freiließ.

Nach Überzeugung der erstinstanzlichen Richter habe Schill die Bearbeitung der Beschwerden absichtlich verschleppt, damit seine Anordnung vollstreckt werden konnte. Er habe damit gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung verstoßen und das Recht „durch Unterlassen“ gebeugt. Demgegenüber argumentierten die BGH-Richter, daß die richterliche Unabhängigkeit auch bei der Bemessung des zeitlichen Rahmens für die Bearbeitung der Beschwerden zu würdigen sei. Schill habe nicht gegen zwingende Vorschriften verstoßen und sei nicht vollkommen untätig gewesen. Zwar sei auch eine zögerliche Bearbeitung grundsätzlich strafbar, allerdings nur dann, wenn eine gezielte Absicht vorliege. Dies habe sich jedoch aus den Feststellungen des Landgerichts nicht ergeben. Um dem Anspruch des Bundesgerichtshofes zu genügen, müßte das Landgericht Hamburg also die Verzögerungsabsicht Schills beweisen, was zwar theoretisch möglich, aber - nach Schills eigener Einschätzung - „praktisch ausgeschlossen“ sei. Seine Verteidigung rechne daher fest mit einem Freispruch. Bestärkt kann sich Schill durch die Einschätzung des Generalbundesanwalts sehen, der bereits im Juni dieses Jahres die Einstellung des Verfahrens beantragt hatte.

In der Geschichte der Freien und Hansestadt Hamburg steht mit dem Vorsitzenden der Partei Rechtstaatliche Offensive, Ronald Schill, erstmals ein Zweiter Bürgermeister und Innensenator wegen eines derartigen - nicht gerade minderschweren - Vorwurfs vor Gericht. Von seiten des Koalitionspartners FDP hieß es sogleich, im Falle einer Verurteilung sei Schill „für sie als Senator im neuen Senat untragbar“.

Ob jedoch nach der zunächst für vier Tage angesetzten Verhandlung ein rechtskräftiges Urteil gefällt werden kann, ist nicht sicher. Denn wie zuvor könnte die jeweils unterlegene Seite in Revision gehen, die Sache also erneut dem BGH zur Entscheidung vorlegen. Die Frage der Immunität wird in diesem Fall nicht tangiert, da Schill nach Artikel 39 der Hamburgischen Verfassung für die Dauer seiner Amtszeit im Senat sein Bürgerschaftsmandat sowieso ruhen lassen muß.


 
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