© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Mailänder Abfall sichert Arbeitsplätze
Umweltpolitik: 30.000 Tonnen italienischer Hausmüll sollen per Schiff nach Nordwest-Mecklenburg kommen
Dirk Fischer

Daß der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist eigentlich ein Segen für die strukturschwache Gegend. Landesumweltminister Wolfgang Methling (PDS) lieferte dazu kürzlich auch einen Beitrag, nämlich zum Mülltourismus. Er genehmigte mit Rückendeckung des rot-roten Kabinetts den Import von 30.000 Tonnen italienischem Hausmüll, die auf der Deponie Ihlenberg entsorgt werden. Optionen gibt es anscheinend für weitere 120.000 Tonnen. Die größte Mülldeponie Europas ist besser bekannt unter ihrem früheren Namen Schönberg. Die devisenhungrige DDR kippte dort importierten Westmüll ab. So gesehen setzt der PDS-Minister nur die Tradition fort. Trotz Sanierungen nach der Wende konnten Befürchtungen bezüglich der Grundwassergefährdung und des Gasausstoßes nie ausgeräumt werden. 1993 kam es wegen der Deponie zu einer Regierungskrise im damals noch unionsregierten Mecklenburg-Vorpommern. Umweltministerin Uhlmann und ihr Staatssekretär Conrad, beide CDU, mußten ihren Hut nehmen, weil sie, beraten von dem schleswig-holsteinischen FDP-Politiker und Rechtsanwalt Kubicki, mit der damaligen Betreiberfirma einen für das Land finanziell katastrophalen Vertrag aushandelten. Da Kubicki mit dieser Firma in geschäftlichem Kontakt stand und 860.000 Mark Honorar kassierte, trat er später als Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP in Schleswig-Holsteinebenfalls zurück.

Mittlerweile hat Mecklenburg-Vorpommern wieder das alleinige Sagen über die Deponie. Der Müllnotstand in Kampanien kommt dem Bundesland gerade recht. Seit Jahren stagniert der Umsatz. Von den 150 Mitarbeitern in Ihlenberg mußte kürzlich jeder fünfte entlassen werden. Auf dem hart umkämpften Müllmarkt nahm die Deponie im vorigen Jahr 600.000 Tonnen Müll an. Insgesamt ist noch Platz für 14 Mio. Tonnen. Da sind die 30.000 oder sogar 150.000 Tonnen aus Italien jetzt sehr willkommen, um die Überkapazitäten abzubauen.

Ab November wird der Müll zunächst nach Wismar verschifft und danach mit Lastwagen nach Schönberg gefahren. Für die 30.000 Tonnen sind dazu fast 1000 Touren notwendig.

Harsche Kritik kam prompt aus dem Bundesumweltministerium, denn der Hausmüll soll ohne Vorbehandlung deponiert werden. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern betreibe Abfallpolitik von vorgestern. Wenn der Müll nicht vorher verbrannt wird oder verrottet, erhöht sich die Gefahr, daß der Müllberg später einsackt und schädliche Gase entweichen. Deshalb ist diese Art der Entsorgung auch nur noch in einer Übergangsfrist bis 2005 zulässig. Nach Umweltminister Trittin muß aber schon im Vorfeld das Entstehen großer Altlasten verhindert werden. Es gebe dafür in Deutschland ausreichend Vorbehandlungskapazitäten. Er wirft seinem Landeskollegen Methling vor, dieser wolle den Ihlenberg bis 2005 vollkippen, um so möglichst viel Geld einzunehmen, da bei einer Vorbehandlung das Müllvolumen und damit die Gebühren stark sinken würden. Tatsächlich liegen die Entsorgungsgebühren in Mecklenburg-Vorpommern über dem Bundesdurchschnitt. Der grüne Umweltminister des Nachbarlandes Schleswig-Holstein, Klaus Müller, stieß ins gleiche Horn. Alle Bemühungen um eine Abfallentsorgung vor Ort würden ad absurdum geführt. Rein rechtlich gibt es aber keine Handhabe gegen Wolfgang Methling. Lediglich die EU-Kommission könnte noch einschreiten, da das EU-Recht vorsieht, daß Hausmüll möglichst in der Nähe des Entstehungsortes entsorgt werden soll. Der Landesumweltminister geht seinerseits in die Offensive und spielt dabei auf der Klaviatur der Ost-West-Ressentiments. Er vermutet hinter dem Vorgehen Trittins rein wettbewerbliche Interessen, denn Nordrhein-Westfalen durfte bereits 200.000 Tonnen italienischen Mülls ohne einen Rüffel aus dem Bundesumweltministerium verbrennen. Diese Menge sei sogar vollständig über die Straße transportiert worden. Nun habe Mecklenburg-Vorpommern den Westdeutschen anscheinend einen Teil des Umsatzes abgenommen. Auch ökologische Bedenken plagen den PDS-Minister nicht. Ihlenberg sei eine der sichersten Deponien Deutschlands. Das Staatliche Amt für Umwelt und Natur Schwerin wurde beauftragt sicherzustellen, daß tatsächlich nur Hausmüll angeliefert wird. Deponie-Chef Bruckschen will sogar höchstpersönlich bei der Einschiffung im Hafen von Neapel Stichproben nehmen. Berücksichtigt man diese Kontrollkosten und die Transportkosten einschließlich der Belastung der Verkehrswege sowie die Kosten für die entstehenden Altlasten so erscheinen auch die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile, die gegen ökologische Bedenken ins Feld geführt werden, fraglich. Bezeichnend ist, daß die zu erwartenden Einnahmen aus dem Müllgeschäft nicht vorgestellt wurden. Nur damit wäre aber eine langfristig orientierte Abwägung möglich. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht gewünscht. Im Jahre 2002 ist die Landtagswahl. Bis dahin müssen Erfolgsmeldungen her.


 
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