© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Abgestempelt
Für den philosophischen Schriftsteller Gerhard Nebel soll in der Literatur- und Geistesgeschichte kein Platz mehr sein
Thorsten Thaler

Angestoßen vom Verlag Klett Cotta (Stuttgart) und der Frankfurter Allgemeinen deutete sich im Herbst vorigen Jahres eine Wiederentdeckung des kulturkritischen Essayisten und Reiseschriftstellers Gerhard Nebel (1903-1974) an. Nach seinem Tod war der promovierte Philosoph und Altphilologe rasch in Vergessenheit geraten. Zuletzt erinnerte sich Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll Ende März 1975 in der FAZ „mit großer Dankbarkeit“ an Nebel, der zeitweise Bölls Deutschlehrer war. Erst im vergangenen Jahr erschien unter dem Titel „Schmerz des Vermissens“ eine neu zusammengestellte Essaysammlung Nebels, die nicht nur von dieser Zeitung kritisch gewürdigt wurde (JF 47/00). Dabei war es nur eine Frage der Zeit, bis der Versuch einer Reanimation Nebels auf Widerstand stoßen mußte.

In einer ebenso boshaften wie glänzenden Polemik hat nun die Hamburger Altphilologin Annette Rink in der vierteljährlich in Potsdam erscheinenden Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (4/01) ihre Bedenken angemeldet. Nebel sei nicht nur ein Nachzügler der Konservativen Revolution aus dem Umfeld der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, der sich den Kampf gegen die Moderne auf die Fahnen geschrieben habe und dabei die übliche Demokratie- und Technikkritik biete. Schlimmer wiege, daß Nebel sich - aller NS-Gegnerschaft zum Trotz - nie von seinen „rassistischen, antisemitischen“ Denkmustern lösen konnte. Noch 1966 sei es ihm nicht peinlich gewesen, die Ordnungsmission des „weißen Mannes“ in Afrika zu verherrlichen. Für die „komplizierten Fragen der Gegenwart“ habe solch ein Autor deshalb die falschen Antworten parat.


 
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