© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Überreagiert
Haltlose Verdächtigung im „Fall Baunack“
Alexander Barti

Mit einem Fax von der Staatsanwaltschaft Kassel an die JUNGE FREIHEIT hat sich ein Fall endgültig geklärt, der am 17. August mit einem Großeinsatz der Polizei in Wüstefeld/Rotenburg an der Fulda begann (JF 36/01).

Von der Neuen Zürcher Zeitung bis zum Rotenburger Kreisanzeiger hatten die Medien über ein gefährliches „Nazi-Zeltlager“ zu Ehren von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß berichtet. Dabei seien „Nazi-Lieder“ gegröhlt und verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden. Nichts davon ist richtig, wie die polizeilichen Ermittlungen inzwischen ergeben haben. Friedrich Baunack, der Initiator eines friedlichen Treffens von Anarchos, Nationalen, Antifas und Esoterikern, wies darauf hin, daß das einzig „Braune“ bei ihnen die Hautfarbe eines befreundeten Exilkubaners gewesen sei. Trotzdem seien die Polizikräfte eines Sonderkommandos brutal gegen die badende und fußballspielende Gruppe, darunter auch Kinder, vorgegangen. Gleichzeitig wurde das Haus der Familie Baunack durchsucht, illegales Material aber nicht gefunden. Statt dessen beschlagnahmte man unter anderem ein Che-Guevara Buch, eine Liedersammlung der Pfadfinder, CDs des Liedermachers Bomberg und frei verkäufliche Luftgewehre. Die 19 Teilnehmer wurden in Handschellen abgeführt und über Nacht in Gewahrsam genommen. Nachdem die Festgenommenen am nächsten Morgen nicht dem Haftrichter vorgeführt wurden und erst nach lautstarken Protesten eine schriftliche Bestätigung für den Vorfall erhielten, brachte man sie zurück und forderte die Ortsfremden auf, die Umgebung unverzüglich zu verlassen.

Acht der beteiligten und festgenommenen Personen haben inzwischen Strafanzeige gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten wegen Freiheitsberaubung im Amt, Nötigung und Körperverletzung erstattet. Wie der Pressesprecher des Kasseler Landgerichts, Oberstaatsanwalt Jung, mitteilte, wurde auch gegen Richter Schwarz, der den Durchsuchungsbefehl erteilt hatte, wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung Strafanzeige gestellt.

Im Nachhinein wurde Baunack von verschiedenen Polizeibeamten bedauernd zu verstehen gegeben, daß der Überfall nicht stattgefunden hätte, wenn sich die Gruppe nicht am 17. August getroffen hätte. Weitere heikle Jahrestage, an denen die Polizeikräfte „sensibel“ reagierten, seien der 20. April oder der 1. September.

Friedrich Baunack, der als Parteiloser für „Die Republikaner - Freideutsche Fraktion“ in den Kreistag von Hersfeld-Rotenburg gewählt wurde, hat am 29. Oktober den Antrag gestellt, daß der Kreisausschuß beauftragt werden solle, „eine Liste von Jahrestagen zu veröffentlichen, an denen die Grundrechte eingeschränkt sind, beziehungsweise das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) exzessiv angewandt wird“. Der Antrag wurde bei einer Enthaltung aus den Reihen der Liberalen von CDU, SPD, FWG und FDP abgelehnt. 


 
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