© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Europas Rechte und die Medien
Niederösterreich: Auf Einladung der Wochenzeitung „Zur Zeit“ diskutierten Politiker und Publizisten
Gustav Domberg

Vor einem „Aufmarsch der Rechten“ warnte der Wiener Standard, und die SPÖ-Bundesgeschäfts-führerin Andrea Kuntzl meinte gar, „international geächtete Rechtsextremisten“ würden sich „zusammenrotten“. Doch in Wirklichkeit war auf der niederösterreichischen Burg Kranichberg bei Gloggnitz alles anders - so wie Österreich eben anders ist und schon immer war.

Die Wochenzeitung Zur Zeit aus Wien, die vor vier Jahren aus der Österreich-Ausgabe der JF hervorging, hatte letztes Wochenende Politiker konservativer und rechter Prägung zum Symposion „Europas Rechte und die Medien“ geladen. Unter dem Vorsitz des Zur Zeit-Mitherausgebers und Ex-Haider-Beraters Andreas Mölzer saßen recht unterschiedliche, aber allemal interessante Politiker am Diskussionstisch. Was sie zu sagen hatten, stand in bemerkenswertem Kontrast zu dem Alarmgeschrei im Vorfeld. Prominentester österreichischer Teilnehmer war der Ex-FPÖ-Nationalrat und jetzige Volksanwalt Ewald Stadler - ein Mann, der nun laut Bundesverfassung die Aufgabe hat, „behauptete oder vermutete Mißstände in der Verwaltung zu prüfen“. In Kranichberg sprach der 40jährige Jurist von einer „Immunschwäche Europas“: Tausende von Moslems seien bereit, für ihren Glauben zu sterben, wir aber (der Westen) hätten dieser Herausforderung „nichts entgegenzusetzen“.

Stadler forderte eine Besinnung auf die „traditionellen Werte“. Er kritisierte den „Selbsthaß der Deutschen“ und ihre „Danksagungsmentalität“. Man müsse wieder Achtung vor den Toten haben und den Umgang mit der Geschichte „enttabuisieren“. Es gehe nicht an, ein ganzes Volk durch Verweigerung der historischen Debatte zu knebeln. Zugleich aber wandte sich der FPÖ-Politiker gegen die auch von manchen Kräften seiner Partei forcierte allgemeine Privatisierung. Die „Entstaatlichung“ habe bedenkliche Ausmaße erreicht. Man dürfe nicht die Ordnungsfunktionen des Staates privatisieren. Außenpolitisch müsse Österreich seine „geopolitischen Interessen“ formulieren. In der Familienpolitik genüge nicht der (von Haider initiierte) „Kinderscheck“, vielmehr müsse man die „Achtung vor der Mutter“ wiederherstellen - im Gegensatz zum Irrweg mancher Frauenrechtlerinnen sei die Mutter die „herausragendste Frau“. Die „indifferente Mitte“, so Stadler, versage am eklatantesten. Die ideologische Leere werde durch political correctness ersetzt. Er, Stadler, trage den Vorwurf, Populist zu sein, „wie einen Orden“.

Besondere Aufmerksamkeit hatten die anwesenden Medien, darunter die ARD, einem Teilnehmer aus Ungarn gewidmet, der bereits als gefährlich abgestempelt wurde, bevor er überhaupt etwas gesagt hatte: István Csurka, Chef der Ungarischen Wahrheits- und Lebenspartei (MIÉP), der bei den Parlamentswahlen 2002 gute Chancen für eine Schlüsselrolle und damit eine Regierungsbeteiligung vorausgesagt werden. „Die Weltordnung bricht zusammen und es besteht die Gefahr, daß man unter die Trümmer gerät“ - meinte der Budapester Gast. Er, Csurka, sei dafür, daß niemand wegen seiner Abstammung oder seinen Ansichten beleidigt oder benachteiligt werden dürfe: „Man muß alles aussprechen können und niemand soll die Macht haben, die Gedanken eines Menschen zu unterdrücken“.

Der Franzose Bruno Mégret, der sich in seiner kühl-analytischen Art als Absolvent französischer Eliteschulen auswies - erklärte als Chef des Mouvement National Républicain in seinem Lande sei die gleichmacherische Macht der Medien „exorbitant“. Alle Politiker des „Systems“ sagten das gleiche und machten das gleiche. Die Regierungen in Paris wechselten, aber die Politik bleibe dieselbe. Deshalb gebe es auch keine Debatte: Es entstehe eine virtuelle Demokratie. Das Problem sei, so Mégret, der große Unterschied zwischen den Medien und den tatsächlichen Problemen. Die Medien propagierten eine globalistische Ideologie: ein Verschwinden der Grenzen, Nationen, Rassen und Religionen. Es handle sich um eine materialistische, egalitäre Grundhaltung: Was zähle, sei allein Wirtschaft und Markt. Mégret erklärte auf Seiten der USA zu stehen: „Wir müssen sie unterstützen, unser gemeinsames Problem ist der Islamismus. Die Einwanderung hat schon dazu geführt, daß der Islam zur zweitstärksten Religion Frankreichs wurde.“

Der Fraktionschef des Vlaams Blok, Filip Dewinter aus Antwerpen, sagte, Belgien sei kein normales Land. Es gebe einen Kadavergehorsam der Medien gegenüber dem politischen Establishment. Seine Partei - mit 15,5 Prozent die drittstärkste Kraft in Flandern - strebe ein selbständiges Flandern an und trete „für die Familie und gegen Überfremdung“ ein. In den öffentlichen Medien, so Dewinter, sei es verboten, nicht links zu sein. Er hoffe, daß Europa keine „neue Sowjetunion“ werde und daß die Meinungsfreiheit „zurückerobert“ wird.

Ganz ähnlich äußerte sich Heli Susi, seinerzeit Deportierte im Sowjet-Gulag und jetzt Mitglied der in Tallinn (Reval) regierenden Vaterlandspartei. In Estland gebe es gewisse Sorgen, daß das Land „von der Union in die andere“ schlittere. „Die Ideale, dem Vaterland zu dienen, zerbröseln unter enttäuschten Hoffnungen“, analysierte die estnische Professorin die Situation. Es fehle an weitsichtigen Zukunftsplänen, alles konzentriere sich auf die kommende Mitgliedschaft in EU und Nato. Viele Esten hätten eine gewisse Furcht, die so teuer erkämpfte Unabhängigkeit wieder zu verlieren.

Aus Deutschland waren zwei sehr unterschiedliche Politiker nach Kranichberg gekommen. Da war Alfred Mechtersheimer, der Friedensforscher und Inititator einer „Deutschlandbewegung“. Er komme aus einem „politischen Entwicklungsland“, es gebe in Deutschland keine Partei, welche nationale Fragen mit Macht und zukunftsträchtig vertrete. Es fehlten politische Eliten und „normsetzende Gruppierungen“. Die Behauptung, die Gefahr käme in Deutschland von rechts, habe sich als Fehldeutung erwiesen: bei den Rechten gebe es zwar „Fehlentwicklungen“, aber diese stellten kein Sicherheitsproblem dar. Der Ex-Grüne plädierte für eine Renaissance der Nationalstaaten, auf denen man einen Frieden in Europa aufbauen könne. Die Deutschen hätten ihre Vaterlandsliebe an ein Europa verschenkt, das diese Liebe niemals zurückgeben könne.

Der CDU-Politiker Heinrich Lummer formulierte: Wer die Sprache beherrsche und die Begriffe besetze, bestimme die Richtung. Das Problem sei, das viele (deutsche) Journalisten sich als „Missionare“ verstünden. So werde in den Medien die Auffassung verbreitet, daß alle Gruppierungen rechts von der SPD „unwählbar“ seien. Zum Schluß zitierte Lummer Adenauer: „Das wichtigste in der Politik ist der Mut“.

Die Veranstalter des Kranichberg-Treffens hatten diesen Mut. Alles Gerede von einem „Aufmarsch der Rechten“ und einer „Nationalen Internationale“ blieb Schall und Rauch. Hier wurde frei diskutiert und die Lage analysiert - und hier wurde, wenn man schon so martialische Begriffe benutzt, ein erfolgreicher Aufstand gegen Denkverbote und political correctness gestartet. Das alles auf hohem intellektuellen Niveau, ohne Politphrasen, wie sie sonst üblich sind. Österreich ist - wie schon gesagt - anders.


 
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