© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
„Viele sehen im DGB den verlängerten Arm der SPD“
Gewerkschaftspolitik: Der Berliner Gewerkschafter Klaus Gröbig über Arbeitnehmerrechte und Privatisierungen
Jörg Fischer

Herr Gröbig, Sie sind bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte freigestellter Personalrat und Chef des DHV in Berlin. Warum sind Sie sind im Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverband und nicht bei der großen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di?

Gröbig: Der DHV ist die größte Einzelgewerkschaft des christlichen Gewerkschaftsbundes CGB. Die deutsche Gewerkschaftslandschaft ist im Umbruch begriffen. Der DGB hat seit 1996 über drei Millionen seiner Mitglieder verloren. Er kann nicht mehr den Anspruch Einheitsgewerkschaft zu sein aufrecht erhalten. Viele sehen im DGB den verlängerten Arm der SPD, die von der Mehrheit der Arbeitnehmer aber nicht gewählt wird. Das ist die Chance der nicht sozialistischen Gewerkschaften. Jetzt ist die Stunde da; es ist unsere Chance. Wir müssen uns aber Gehör verschaffen - in der Öffentlichkeit. Mit über 80.000 Mitgliedern hat der DHV 20.000 Mitglieder mehr als die FDP.

Was unterscheidet den DHV außer der Geschichte von Ver.di, und warum haben Sie so wenig Mitglieder?

Gröbig: 1933 hatte Hitler alle Gewerkschaften und damit auch den DHV verboten. Nach der Katastrophe von 1945 benötigte jeder, der am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollte eine Lizenz der Alliierten. Diese Lizenz wurde nur dem Deutschen Gewerkschaftsbund als Einheitsgewerkschaft erteilt. Eine Wiedergründung der liberalen sowie der kirchlichen und schwarzen Gewerkschaften war damit zunächst ausgeschlossen. Erst 1949 nachdem die BRD souverän wurde, war es möglich den Christlichen Gewerkschaftsbund und damit auch den DHV neu zu gründen. Zu diesem Zeitpunkt waren Macht, Einfluß und Mitglieder in den Betrieben bereits verteilt und dieser Zustand dauert bis heute an.

Bis zum Sommer diesen Jahres waren Sie in der FDP politisch aktiv, heute sind sie parteilos. Warum?

Gröbig: Ich bin von der politischen auf die gewerkschaftliche Seite übergewechselt, weil ich erkannt habe, daß die Lehre vom Liberalismus nicht die Lehre vom freien Kapitalverkehr, sondern von der Freiheit der Menschen ist. Der Turbokapitalismus der Kapitalsammelgesellschaften schränkt im Gegenteil die Freiheit der Menschen ein. Immer mehr Menschen werden arbeitslos und die, bei denen heute noch scheinbar alles in Ordnung ist, haben mit der Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zu rechnen. Als Liberaler muß man geradezu dagegen aufstehen. Wie die FDP in Berlin mit SPD und Grünen die Ampel verwirklichen will und dabei auch nur ein Mindestmaß an liberalen Grundsätzen bewahren will, ist mir schleierhaft.

Sie sprachen es an, in Berlin zeichnet sich eine Ampelkoalition ab. Damit sind auch Sparmaßnahmen verbunden, speziell im Öffentlichen Dienst. Was erwarten sie von der Ampelkoalition?

Gröbig: Herr Wowereit, der neue Regierende Bürgermeister der Ampelkoalition, hat erklärt, daß der öffentliche Dienst sparen muß. Ich wüßte gern wie das gehen soll, wenn es um die Personalkosten geht, denn schon heute sind die qualifizierten Mitarbeiter unterbezahlt und die Warteschlangen der Bürger vor den Schaltern mehr als lang. Sie warten monatelang auf einen Steuerbescheid, und da will die Regierung ausgerechnet bei den Personalkosten des Öffentlichen Dienstes sparen und das noch mit einem SPD-Bürgermeister?

Was wollen Sie dagegen unternehmen, und was haben sie für Gegenvorschläge, für Alternativen, um den Haushalt zu sanieren, was könnten Sie sich vorstellen?

Gröbig: Also, als Gewerkschaftler ist es mein erstes Anliegen nicht, mir darüber Gedanken zu machen, wie der Haushalt in Ordnung gebracht werden kann, das muß die Politik leisten. Ob die Ampelkoalition die Kraft findet die Finanzierung der unzähligen Partikular - und Sonderinteressen von gesellschaftlichen Biotopen zu beschneiden, die letztlich schon immer zu Lasten der steuerzahlenden und drogenresistenten Normalbevölkerung gegangen ist, halte ich für unwahrscheinlich.

Die öffentlichen Haushalte müssen jedoch saniert werden, da sind sich alle Parteien einig.Was halten Sie von einer Privatisierung von Universitäten - was etwa die FDP vorgeschlagen hat?

Gröbig: Also eine Privatisierung der Hochschulen würde ich gar nicht schlecht finden, gerade bei der ideologischen Ausrichtung mancher geisteswissenschaftlichen Fakultät wäre eine Leistungssteigerung zu erwarten, wenn die Studenten künftig ihre Professoren und Hochschulen selbst auswählen könnten. Es ist letztendlich ein liberaler Ansatz, dem ich mich verpflichtet fühle. Die Privatisierung ist jedoch kein Allheilmittel, der öffentliche Nahverkehr ist da ein besonders schönes Beispiel, weil er immer ein Zuschußgeschäft bleiben wird. Wenn man politisch will, daß die Menschen nicht mit dem Auto fahren, dann ist es eben eine klassische Aufgabe des Staates, dies auch sicherzustellen. Die Privatisierung als Allheilmittel erscheint mir so, als wenn man versuchen wolle, das Rad neu zu erfinden und glaube dabei, es könne viereckig aussehen. Und im Kampf um die Rechte der Arbeitnehmer haben wir vom DHV das richtige Konzept und ich zweifele nicht daran, daß es uns gelingen wird, den Alleinvertretungsanspruch des DGB in Frage zu stellen.

 

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