© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
WIRTSCHAFT
Liquiditätsfalle und Schuldenfalle
Bernd-Thomas Ramb

Nach der amerikanischen hat nun auch die Europäische Zentralbank nochmals den Leitzinssatz gesenkt. Von den US-Niedrigzinsen mit zwei Prozent - es wird sogar spekuliert, der Leitzins werde dort in absehbarer Zeit nochmals auf 1,5 Prozent gesenkt - ist die EZB mit einem Zinssatz von 3,25 Prozent noch etwas entfernt. Ebenso nimmt die europäische Zinssenkungswelle nicht den fast hysterisch abstürzenden Verlauf der amerikanischen, aber die Richtung und vor allem der Anlaß stimmen bei beiden überein.

Zielsetzung ist die Ankurbelung der depressiven Volkswirtschaften. Billiges Geld soll die Verschuldungsbereitschaft stärken, auf daß die Investitionen zunehmen oder die Konsumenten mehr kaufen. An einen dadurch verursachten Anstieg der Preise will niemand glauben, am allerwenigsten die Bundesregierung, die vielmehr an ein Absinken der Inflationsrate unter zwei Prozent glaubt. Die Politik entwickelt sich zunehmend zu einer frommen Angelegenheit, in der Glaubenssätze die Wirklichkeit verdrängen. Fest steht dagegen, es wächst die Gefahr, daß Zinssenkungen von den hochverschuldeten Firmen als Gelegenheit angesehen werden, die laufenden Verluste zu reduzieren ohne einen Euro zusätzlich zu investieren. Allenfalls werden weitere Kredite auf „Vorrat“ aufgenommen. Das Geld wandert in die „Spekulationskasse“ bis profitable Einsätze erkennbar werden oder die Zinsen wieder ansteigen, so daß niedrigverzinste Kredite höherverzinst angelegt werden können. In der Zwischenzeit verharrt man in der wirkungslosen „Liquiditätsfalle“. Während die Unternehmen die überschießende Geldvermehrung meist rational verarbeiten, ist die Verführung zu kreditfinanziertem Konsum unverantwortlich. Da werden vielfach überforderte Bürger bewußt in die Verschuldungsfalle getrieben.


 
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