© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Am Primat des Papstes wird nicht gerüttelt
Weltbischofssynode in Rom: Wachsendes Unbehagen am Niedergang des Glaubens
Lothar Groppe S.J.

Nach öffentlichen Spekulationen, ob es bei der Römischen Bischofssynode vom 30. September bis 27. Oktober zum „Aufstand der Basis“ gegen den römischen Zentralismus kommen werde, war das Ergebnis für Journalisten wohl allzu dürftig. Selbst überregionale Zeitungen gingen nicht auf die Beschlüsse ein.

Synoden in den beiden Kirchen unterscheiden sich ganz wesentlich von- einander. In der evangelischen Kirche ist die Synode das oberste beschlußfassende und gesetzgebende Gremium der Landeskirchen. Die katholische Kirche kennt zwei verschiedene Formen von Synoden: die regionale, wie etwa die Würzburger Synode der siebziger Jahre. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) wurde eine neue Form der Synode begründet, die im Gegensatz zu Regionalsynoden ausschließlich für kirchliche Amtsträger vorgesehen ist und alle drei Jahre auf Einladung des Papstes Vertreter aus allen nationalen Bischofskonferenzen und den höchsten Ordensobern umfaßt. Ihre Beschlüsse werden dem Papst vorgelegt. Nach sorgfältiger Prüfung veröffentlicht dieser ein „Apostolisches Schreiben“ zum Thema der Beratungen, ist aber nicht daran gebunden.

Gleich zu Beginn der Synode erregten die Ausführungen Kardinal Meisners, des Kölner Erzbischofs, die Aufmerksamkeit. Er bezeichnete die Glaubenskrise in der Kirche als Ausdruck der umfassenden Kulturkrise, aber auch einer Form von Selbstsäkularisierung, an der die Bischöfe mitverantwortlich sind. Schon der Vorgänger Kardinal Ratzingers, der kroatische Kardinal Seper, sagte: „Die Krise der Kirche ist eine Krise der Bischöfe.“ Wer sich an das unwürdige Gezerre um den Beratungsschein erinnert, dürfte diesem Urteil zustimmen.

Kardinal Meisner erklärte, daß „nicht wenige Bischöfe die Bedrohlichkeit der Lage verkennen“, andere „die Tendenzen des Auseinanderdriftens im Glauben als fruchtbare Spannungen deuten.“ Er forderte „die Notwendigkeit eines kraftvollen Zeugnisses in Vollmacht. Der Bischof ist ein öffentlicher Zeuge. Er muß sich den in der Kirche vorhandenen Problemen stellen ... den Glauben verteidigen, die Irrtümer korrigieren und die Wahrheit vertiefen und verfestigen. Dem Bischof kommt die Aufgabe zu, unter Berücksichtigung der universalen Glaubenslehre das Urteil darüber zu sprechen, was wahr und was falsch ist.“

Hier wäre daran zu erinnern, daß nach wie vor die Religionsbücher von Hubertus Halbfas verwendet werden, obwohl ihm bereits 1967 die kirchliche Lehrererlaubnis entzogen wurde, damals ein außergewöhnlicher Vorgang.

Die meisten bischöflichen Bildungshäuser bieten Fortbildungstage auf der Grundlage der Halbfas-Bücher an, Referenten, die seine Bücher verwenden, sind nach Aussage des Vorsitzenden des „Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen“ gefragt. Auf Intervention des Lehrerinnenvereins verbot Kardinal Hengsbach die Bücher für seine Diözese. Unter der Hand wurden sie jedoch weiter benutzt und propagiert. Hier wird ein ganz entscheidendes Versäumnis der zuständigen Bischöfe deutlich, das wesentlich zur Verunsicherung der Gläubigen, ja nicht selten zur Zerstörung des Glaubens beigetragen hat. Die schwindende Zahl der Gottesdienstbesucher und eine dramatische Kirchenaustrittswelle sprechen eine deutliche Sprache. Dieses Problem besteht bereits seit Jahrzehnten. Im Mai 1973 erklärte Kardinal Höffner bei einer Diskussion in Köln wörtlich: „Heute kann es in der Tat vorkommen, daß katholische Eltern aus Liebe und Treue zum Glauben ihr Kind vom Religionsunterricht abmelden müssen.“ Und der gewiß nicht konservative Wiener Kardinal König sagte in einem Interview vom 22. Dezember 1974 noch prononcierter, es könne bisweilen zur Gewissenspflicht katholischer Eltern werden, ihr Kind aus dem Religionsunterricht zu nehmen. 1975 wurden im Auftrag der nordrhein-westfälischen Bischöfe die gängigsten Religionsbücher untersucht. Das Ergebnis wurde den Bischöfen wie auch dem Apostolischen Nuntius zugeleitet und ist heute ebenso aktuell wie vor über zwei Jahrzehnten: „Wer nach den angeführten Religionsbüchern unterrichtet wird, erhält - abgesehen von zahlreichen schiefen, ja verkehrten Darstellungen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre - nicht annähernd jenes religiöse Grundwissen, das verantwortetes christliches Leben in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft ermöglichen könnte. Ein anderes ist noch zu bedenken. Die beanstandeten Religionsbücher tragen alle den Zulassungsvermerk der deutschen Bischöfe. Da der Religionsunterricht von heute das Gesicht der Kirche von morgen bestimmt, ist wahrlich keine Zeit zu verlieren. Das Dekret der Heiligen Glaubenskongregation vom 19. März 1975 hat die Pflicht der Bischöfe betont, „darüber zu wachen, daß der Glaube und die guten Sitten der Gläubiger keinen Schaden durch Schriften erleiden.“ Diese Pflicht wurde weitgehend versäumt. Es ist keine Zeit zu verlieren, dem religiösen Zersetzungsprozeß zu wehren.

Zu Spekulationen vor der Synode über eine Dezentralisierung der Kirche durch Aufwertung der nationalen Bischofskonferenzen sagte Kardinal Ratzinger, daß man der „gewünschten Dezentralisierung“ bedeutend näher käme, wenn die Ortsbischöfe ihre eigenen Hausaufgaben erledigen würden.

Die Frage, ob der Papst wegen seines Alters und geschwächten Gesundheitszustandes sein Amt aufgeben würde, war nicht Gegenstand der Überlegungen. Auch wurde nicht an der oberstern Lehr- und Leitungsgewalt (Primat) gerüttelt. Kardinal Meisner erinnerte daran, daß die Gläubigen ein Anrecht darauf haben, den wahren katholischen Glauben zu hören. Der Bischof habe zu garantieren, daß bei der Verkündigung in Gottesdienst und Religionsunterricht der Glaube der Kirche gelehrt werde. Wenn diese Mahnung in die Tat umgesetzt wird, dürfte es zu einem neuen religiösen Frühling in Deutschland kommen und die Kirche brauchte nicht um ihre Zukunft hierzulande zu bangen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen