© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
PRO&CONTRA
Die Tobin-Steuer einführen?
Peter Waldow / Ulrich Ramm

Die Tobin-Steuer ist eine geringe Abgabe auf alle Devisentransaktionen, die James Tobin zur Stabilisierung der Wechselkurse vorschlug. Heute erhält die Steuer breite Unterstützung, weil sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Mit der Steuer werden die internationalen Finanzmärkte stabilisiert und eine Finanzierungsquelle für globale Aufgaben geschaffen.

Das Hauptproblem auf den Finanzmärkten sind die kurzfristigen Kapitalströme. Auch die internationalen Finanzinstitutionen - BIZ, IWF - sehen die Risiken auf den Finanzmärkten in den kurzfristigen Finanzflüssen. 80 Prozent aller Devisentransaktion sind round trip financial flows, Gelder die binnen 7 Tagen an ihren Ursprungsort zurückkehren. Diese Kurzfristigkeit hat sehr unterschiedliche Aspekte, führt aber sicher dazu, daß sich kontinuierlich kurzfristige spekulative Anreize ergeben, die zu Markt- und Preisverzerrungen führen. Denn wenn eine Transaktion getätigt wird, wissen sie nicht, was das für eine Transaktion ist. Es kann eine spekulative oder realwirtschaftlich bedingte, eine „gute oder eine schlechte“ Transaktion sein, die sich jedoch auf andere Marktteilnehmer auswirkt. Wenn es kurzfristig deutlich in eine Richtung geht, besteht für andere ein Anreiz dort „mitzugehen“. Dadurch entstehen kleine Verwerfungen, die sich nach und nach zu größeren Spekulationsblasen entwickeln können. In einem solchen Fall hätte die Tobin-Steuer eine prophylaktische Wirkung, denn sie macht die destabilisierenden und kurzfristigen Finanztransaktionen, die kleinste Preis- und Renditeunterschiede ausnutzen, betriebswirtschaftlich unrentabel. Grundsätzlich werden mit der Steuer die kurzfristigen und spekulativen Transaktionen zu Gunsten von Längerfristigen zurückgedrängt und damit eine Stabilisierung erreicht. Zusätzlich können die Steueraufkommen in Milliardenhöhe zur Deckung der durch die Globalisierung entstandenen Kosten (Armut, Umweltzerstörung) beitragen.

 

Peter Waldow ist Volkswirt und Sprecher der Organisation „Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung“ (WEED) in Bonn.

 

 

Häufig wird die Einführung einer sogenannten Tobin-Steuer verlangt, um mit dem Mittelaufkommen zusätzliche Entwicklungshilfeleistungen zu finanzieren. Kein Zweifel: Hilfe für die Armen dieser Welt gehört zu den vornehmsten Aufgaben der reichen Industrieländer. Aber rechtfertigt sie eine spezielle Steuer? Ich meine nein.

Eine solche Devisenumsatzsteuer würde mit Sicherheit den grenzüberschreitenden Finanzverkehr behindern und damit Kapital fehlleiten. Gerade Entwicklungs- und Schwellenländer sind aber für den wirtschaftlichen Aufholprozeß auf Kapital aus den reichen Ländern angewiesen. Die vielfach postulierte Beschränkung der Steuer auf „unerwünschte“ Transaktionen ließe sich kaum durchsetzen und nur mit hohem Aufwand kontrollieren. Zudem dämmt eine solche Steuer die Gefahr von Finanzkrisen nicht ursachengerecht ein. Für die Turbulenzen auf den Kapitalmärkten, beispielsweise Anfang 2001 in der Türkei oder während der Asienkrise 1997, waren nicht die oft beschuldigten „Spekulanten“ verantwortlich. Vielmehr wurde der Rückzug der internationalen Anleger durch wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen in diesen Ländern ausgelöst. In echten Krisen übersteigen außerdem die Ertragserwartungen aus Währungsgeschäften deutlich die Größenordnung einer Tobin-Steuer. Reinrassige Spekulationen würden daher im Ernstfall kaum wirksam verhindert.

Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität mit Ausweichreaktionen zu rechnen. Da eine weltweite, lückenlose Einführung illusorisch ist, würde der Devisenhandel in Länder abwandern, in denen eine solche Steuer nicht erhoben wird. Das hieße weniger Arbeitsplätze bei uns. Wirtschaftliche Ratio und die währungspolitischen Erfahungen der Vergangenheit sprechen deshalb eindeutig gegen ein solches Steuerexperiment.

 

Ulrich Ramm ist Chefvolkswirt der Commerzbank.


 
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