© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Joachim Zeller
Der Sündenfall
von Ronald Gläser

Mit der Bürgermeisterwahl in Berlins Regierungsbezirk Mitte am Donnerstag dieser Woche ist die Ausgrenzung der PDS endgültig Geschichte. Zwar widerstehen in den Westbezirken CDU und FDP noch vereinzelt der Versuchung. Doch dank der Wahl Joachim Zellers (CDU) zum Bezirksbürgermeister von Gysis Gnaden erodiert die Entrüstung über Volksfrontbündnisse zusehends.

Joachim Zeller ist der typische Mitläufer des DDR-Systems gewesen. Er mag innerlich gegen das Unrechtssystem opponiert haben. Diesen Unmut glaubte er durch ein Slawistik-Studium und das Engagement bei der „Aktion Sühnezeichen“ ventilieren zu können. Daß ihm zu offener Auflehnung der Mut fehlte, ist menschlich verständlich, soll aber auch nicht verschwiegen werden. 1990 trat der 49jährige in die CDU ein, weil er eine schnelle Wiedervereinigung herbeisehnte. Der postsozialistische Verwaltungsbezirk Mitte vereint den Moder des roten Kiezes mit dem Flair der weltoffenen Metropole und deutschen Hauptstadt. Die Masse der Wähler in Mitte gehörte zur sozialistischen Führungsschicht. Als Kommunalpolitiker konnte der Vater von vier Kindern die Ausgrenzungspolitik gegenüber der PDS beim besten Willen nicht praktizieren. Seine Parteikarriere begann, als er zum Stellvertreter Eberhard Diepgens gewählt wurde. Ein unionsinterner Machtkampf beförderte ihn im Sommer dieses Jahres auf den Sessel des Generalsekretärs der Berliner CDU. Spitzenkandidat Frank Steffel diente Zeller als Schachfigur gegen Landeschef Diepgen, der eine Vertraute durchsetzen wollte. Die linksliberale Presse war voll des Lobes für diese Personalentscheidung. Mit diesem „frohlockenden Angebot“ an Ost-Berliner Wähler würde die CDU endlich für die rote Klientel wählbar, hieß es. Wenig später war die Ernüchterung um so größer. Die Empörung Zellers über die negative Berichterstattung der Medien verrät ein hohes Maß an politischer Naivität.

Zeller ist in hohem Maße für das niederschmetternde Ergebnis seiner Partei mitverantwortlich. Das wundert nicht, denn er hat noch nie eine Wahl gewonnen. Dafür er ist ein Meister im Kungeln um Mehrheiten. 1995 gelang ihm ein Coup, als er mit SPD- und Grünen-Stimmen zum Bürgermeister gewählt wurde. 1999 schmiedete er erneut ein Bündnis mit den Grünen. Und diesmal holte er neben der FDP sogar die SED-Nachfolgeorganisation ins Boot. Die Junge Union kritisiert ihn dafür offen und lautstark. Als Preis für seine Wiederwahl verpflichtete Zeller sich, den Posten als Generalsekretär seiner Partei wieder an den Nagel zu hängen.

Joachim Zeller ist von anderen Wertvorstellungen als westliche CDU-Politiker geprägt. Er polarisiert nicht, sondern besucht lieber Tagungen feministischer Rabbinerinnen oder vertritt in der Verkehrspolitik Positionen der Grünen. Schon im Wahlkampf deutete er eine weiche Linie gegenüber der PDS an. All das macht ihn zum Wolfgang Thierse der CDU.


 
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