© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Europa gestalten
Wernigerode: Paneuropa-Union diskutiert über die Zukunft des Kontinents
Alexander Barti

Am 23. und 24. November trafen sich in dem Anhaltinischen Städtchen Wernigerode Anhänger der 1923 vom Grafen Coudenhove-Kalergi gegründeten Paneuropa-Union. Sie hat weit über 100.000 Mitglieder, ihr Ziel ist es, Europa nicht nur als gewaltigen Markt zu betrachten - entworfen auf dem Reißbrett der Technokraten - sondern eine Einigung von freien Völkern auf Grundlage eines lebendigen Christentums zu erwirken.

Die Tagung („Paneuropa - tausend Jahre wie ein Tag“) wollte sich vor allem mit der Zukunftsperspektive des Alten Kontinentes beschäftigen. Volker Schimpff (CDU), Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Sächsischen Landtag, sprach über die „Jahrtausendaufgabe“ für Paneuropa. In einer kämpferischen Rede beschwor er die Einheit Europas als Verbund von starken Völkern und wies darauf hin, daß die von Europa ausgegangene Weltordnung die einzige Ordnung sei, die den Menschen lebenswert mache. Daher verteidigte er die Aussage des italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi, der die westliche Kultur als gegenüber dem Islam überlegen bezeichnete. Schimpff rechnete auch mit der rot-grünen Bundesregierung ab, die aus der Bundeswehr einen Steinbruch für den Haushalt gemacht und die deutsche Staatsbürgerschaft verschenkt habe. Integration sei Assimilation, anders dürfe die Gesellschaft mit Zuwanderung nicht umgehen, wenn sie den Frieden nicht riskieren wolle.

Kurt Schelter (CSU), Brandenburgischer Minister für Justiz und Europaangelgenheiten, schlug leisere Töne an. Er beklagte vor allem ein allgemeines Desinteresse an Europa und forderte eine „Informationsoffensive und eine Glaubwürdigkeitskampagne“. Wenn man die Ängste der Bürger nicht ernst nähme, könne die innere Einheit Europas nicht verwirklicht werden, so Schelter. Erfreulich nannte er die politische Entwicklung in Frankreich, da bei dem 78. Deutsch-Französischen Treffen in Nantes am 23. November erstmals auch von den Franzosen ein Europäischer Verfassungsvertrag gefordert wurde.

Die Podiumsdiskussion („Europa im dritten Jahrtausend: Herausforderungen und Wegweiser“) brachte wenig Neues. Alfred Gomolka, Ex-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und für die CDU im Europaparlament, mahnte erneut die innere Einheit Europas an. Der andere Politiker auf dem Podium war der Europaabgeordnete Christian von Bötticher (CDU), der ebenfalls die Europäische Perspektive in der nationalen Politik vermißte. Die von Innenminister Otto Schily (SPD) geplante Verschärfung der deutschen Visa-Bestimmungen nannte er angesichts der europäischen Freizügigkeit völlig wirkungslos, schließlich könne man sich mit einem portugiesischen Visum auch in Deutschland aufhalten.

Sekundiert wurden die beiden Politiker von Vertretern der Kirchen. Superintendant i. R., Hans Joachim Rugge, betonte die Grenzen der Toleranz und mißbilligte einen vom Christentum befreiten Humanismus. Der Geistliche Rat des Bischöflichen Amtes Magdeburg, Theo Steinhoff, bemühte sich, das Christentum zu relativieren, indem er auf die antiken, jüdischen und islamischen Wurzeln Europas verwies. Steinhoffs Beitrag erntete besonders heftigen Widerspruch aus den Reihen der Zuhörer.

Das abschließende Referat („Einen Kontinent der Freiheit bauen“) hielt Stanislaw Tillich, Sächsischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Ausgehend von seiner sorbischen Herkunft, erläuterte er sein Verständnis von Freiheit als Dialogbereitschaft. Das Schlußwort der Tagung hatte Gisela Clauß (CDU), Landtagsabgeordnete in Sachsen, die ihrer Hoffnung, im kommenden Jahr erneut zu tagen, Ausdruck verlieh.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen