© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001


„Wir lieben unser Vaterland“
Dänemark: Mit der Forderung nach weniger Zuwanderung zum Wahlerfolg / Rechte Minderheitsregierung
Jörg Fischer

Angesichts des „Kampfs gegen den internationalen Terrorismus“ nahmen die sonst schnell besorgten EU-Politiker die Wahlen vom 20. November in Dänemark nur am Rande wahr, man blieb diplomatisch still. Einzig der sanktionsgestählte Wiener Kanzler Wolfgang Schüssel gratulierte gleich nach der Wahl „dem zukünftigen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen und seinen Koalitionspartnern“ und erklärte: „Die dänischen Wähler haben deutlich gemacht, daß sie zur Erhaltung von Wohlstand und Sicherheit echte Reformen für notwendig halten. Die Konzepte und die Kraft dazu erwarten sie von einer Mitte-Rechts-Regierung“.

Der seit dem Regierungswechsel in Wien EU-weit geführte „Kampf gegen Rechts“ wurde nun fast allein der Presse überlassen. „Gute Nacht, Dänemark“, übertitelte Dagens Nyheter in Stockholm den 31,3-Prozent-Erfolg der rechtsliberalen Venstre-Partei: „Die Verlierer dieser Wahlen sind leicht zu finden: alle mit dunklerer Hautfarbe, der Humanismus, die Anständigkeit.“ Besonders die zwölf Prozent der „rechtspopulistischen“ (Spiegel) und „fremdenfeindlichen“ (FAZ) Dänischen Volkspartei (DF, im Parteiprogramm steht: „Wir lieben unser Vaterland.“) erschreckte Schwedens Aftonbladet: „Intoleranz und beschränkter Nationalismus triumphieren, wenn man Einwanderungsstopp verlangt und grundlegende Rechte von Moslems einschränken will.“ Der britische Guardian schrieb: „Dänemarks legendärer Ruf als liberales Land zerstört“. Der Wiener Standard : „Je reicher wir werden, desto unmenschlicher werden wir Europäer offenbar.“

Und was den Reichtum angeht, hat das Blatt sogar Recht. Das zu 90 Prozent lutheranische Königreich entwickelte sich unter der jetzt abgewählten sozialliberalen Minderheitsregierung von Poul Nyrup Rasmussen prächtig: Ein Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner (BIP 1999) von 60.270 Mark (fast ein Viertel mehr als Deutschland), 4,3 Prozent Arbeitslosigkeit. Wegen dieser Zahlen zeigte sich der Focus „überrascht“, daß nun „harte Zeiten für Nicht-Dänen“ kommen. Der Spiegel titelte ausnahmsweise richtig: „Aus Angst vor Zuwanderern wählten die Dänen ihre Regierung ab“.

Umfragen kündigten schon seit Wochen einen klaren Sieg der Kopenhagener Mitte-Rechts-Opposition an. Auch das Hauptthema war angesichts vorbildlicher Wirtschaftsdaten klar: Die knapp fünf Millionen Dänen wollen unter sich bleiben - trotz einem offiziellen Ausländeranteil (ohne Eingebürgerte) von fünf Prozent. Einen ersten Vorgeschmack gab es im September 2000, damals sagten 53,1 Prozent in einer Volksabstimmung Nein zum Euro - obwohl lediglich die DF und linke Gruppen für den Erhalt der Krone kämpften. „Was man im Ausland von uns denkt, ist gleichgültig, wichtig ist nur, was die Dänen meinen“, kommentierte DF-Chefin Pia Kjærsgaard die Pressestimmen von letzter Woche. „Die Somalier, die Iraner, die Iraker, die Libanesen, die arbeitslosen Gastarbeiter, die kriminellen Ausländer und ihre Familien müssen raus“, das fordert die 53jährige seit Jahren. Am Wahlabend bekräftigte die 1989 zur „Politikerin des Jahres“ Gewählte, den „Zustrom von Flüchtlingen stoppen und die Strafen für Vergewaltiger und Gewalttäter verschärfen“ zu wollen.

Weil nach EU-Untersuchungen ein Drittel der Dänen „die Anwesenheit von Menschen anderer Religionen als störend“ empfindet, ging auch Rasmussens Venstre mit eindeutigen Aussagen auf Stimmenfang und forderte eine Wende in der Asylpolitik: Auf einer Wahlanzeige beispielsweise wurden palästinensische Asylanten abgebildet, die wegen Vergewaltigung verurteilt wurden, darunter der Wahlspruch: „Zeit für Veränderung“. Doch selbst Sozialdemokraten griffen zu starken Worten. Innenministerin Karen Jespersen wollte letztes Jahr kriminelle Asylanten auf eine „öde Ö“ (einsame Insel) verbannen, und ihr Premier meinte, „fünfmal täglich Richtung Mekka“ zu beten, sei unvereinbar mit der dänischen Arbeitsmoral (JF 50/00).

Doch der linke Flügel in der eigenen Partei und der linksliberale Partner Radikale Venstre blockierte: es blieb bei verbaler Kraftmeierei. Die Wähler wechselten zu den Mitte-Rechtsparteien, die Zentrumsdemokraten, die für eine „moderne Einwanderungspolitik“ eintraten, flogen aus dem Parlament, die Christdemokraten bleiben ohne Bedeutung.

Doch auch Premier Anders Fogh (nicht verwandt mit Poul Nyrup Rasmussen) wird die Wähler wohl zumindest teilweise enttäuschen. Noch vor Jahren hatte der 48jährige Ökonom (1987/92 Finanz- und Wirtschaftsminister) in seiner Streitschrift „Vom Sozialstaat zum Minimalstaat“ wirtschaftsliberale Thesen vertreten. Inzwischen wandelte sich Rasmussen, der 1998 Uffe Ellemann Jensen an der Venstre-Spitze ablöste, zum Fürsprecher des dänischen Wohlfahrtsstaates und eines verbesserten Gesundheitswesens und folgte auch hier den Wählern: „Wer den entsprechenden Wünschen der Bürger nicht nachkommt, kann als Politiker einpacken“. Rasmussens letzten Dienstag präsentierte 18köpfige Minderheitsregierung mit den Konservativen ist auf wechselnde Mehrheiten angewiesen. In der Europapolitik wird er wohl bei den Sozialdemokraten Unterstützung finden, bei der angekündigten Krankenhausreform und dem längerem Erziehungsurlaub könnte das schon anders aussehen.

Pia Kjærsgaard frohlockte daher zurecht: „Nun haben wir Einfluß. Anders Fogh muß auf uns hören.“ Die Kürzung der Entwicklungshilfe (Dänen zahlen pro Kopf weltweit am meisten), die Stärkung der inneren Sicherheit und die „strenge Ausländerpolitik“ von Integrationsminister Bertel Haarder (Venstre) wird wohl nur mit der DF im Folketing angenommen. Aus Brüssel droht daher Widerstand. Nicht von Belgiens „sanktionsfreudigem“ Außenminister Louis Michel, sondern von António Vitorino, EU-Kommissar für Justiz und Inneres. Der portugiesische Sozialist will das Asylrecht EU-weit „harmonisieren“ und - ausweiten!

EU-Beistand für Dänemark ist rar. Der schwedische Liberalenchef, Lars Leijonborg, forderte schon „größere Toleranz und Besinnung“ und sein norwegischer Kollege Lars Sponheim meinte gar, die Zusammenarbeit der Venstre mit „der äußersten Rechten“ sei ein Fall für die Liberale Internationale. Das ist keine leere Drohung: Anfang der neunziger Jahre wurde die FPÖ - unter Assistenz von Otto Graf Lambsdorf (FDP) - aus der Liberalen Internationale ausgeschlossen.


 
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