© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/01 07. Dezember 2001

 
Eine neue Identität läßt sich nicht verordnen
Südosteuropa: „EU-Feiertag“ in Bosnien stößt auf Ablehnung / Muslime beleidigt / Kroatische Linkskoalition im Stimmungstief
Carl Gustaf Ströhm

Ungeachtet aller Warnungen setzt die „internationale Staatengemeinschaft“ im de-facto-Protektorat Bosnien unbeeindruckt ihre Versuche fort, doch noch ein „multiethnisches und multireligiöses“ Staatswesen zusammenzuschustern. Letztes Experiment dieser Art war das Bemühen, für das „neue“ Bosnien-Herzegowina einen Nationalfeiertag aus der Taufe zu heben - obwohl es eine gemeinsame bosnische Nation nicht gibt.

Die dank der brachialen Eingriffe internationaler Emissäre, allen voran des „hohen Repräsentanten“ Wolfgang Petritsch (SPÖ) von „nationalistischen Elementen“ gesäuberte bosnische Regierung besteht jetzt aus Parteien der „Allianz“ unter der Führung der Wende-Kommunisten (SDP). Vor einigen Tagen veranstaltete man unter der Parole „Der geistige Ruf der monotheistischen Dreistimmigkeit“ ein angeblich multireligiöses Fest im Theater von Sarajevo.

An dieser Feierstunde, die dazu dienen sollte, den neuen Nationalfeiertag aus der Taufe zu heben, beteiligte sich die immer noch existierende Organisation der Tito-Partisanen. Das war nicht verwunderlich, denn mangels anderer staatlicher Traditionen wollte man den kommunistischen Staatsfeiertag - die Ausrufung der „Volksrepublik Bosnien-Herzegowina“ 1943 - als neuen demokratischen Nationalfeiertag adaptieren. Um die Multireligiosität zu demonstrieren, sollten katholische (kroatische), orthodoxe (serbische) und bosnisch-muslimische Geistliche Gebete sprechen. Im Falle der Katholiken gelang es, zwei - allerdings mit ihrer Kirche im Streit lebende - Franziskanermönche zu gewinnen, ein serbischer Pope kam nicht.

Im Falle der Moslems scheiterten alle Versuche, einen Imam zur Teilnehme zu bewegen. Am Schluß begnügten sich die Veranstalter, einen Schauspieler als Imam auftreten zu lassen - und das ganze Unternehmen platzte: Der Rijaset, die Führung der bosnischen islamischen Religionsgemeinschaft, beschwerte sich: Nicht einmal in den finstersten Zeiten des Kommunismus sei der Islam derart beleidigt und das Symbol - die Ahmedija (der mit einem weißen Tuch umgebene Fes) derart beleidigt worden. Sogar von Gotteslästerung wurde gesprochen - einem im Islam todeswürdigen Verbrechen. Nach dem mißglückten Versuch, den Bosniern einen Staatsfeiertag par ordre de moufti (und dazu noch eines falschen Mufti) aufzuzwingen, ist die Stimmung auf den absoluten Nullpunkt abgesunken.

Inzwischen hat der Kardinal und Erzbischof von Sarajevo, Vinko Puljic, bei einem offiziellen Besuch in Zagreb auf die verzweifelte Lage der bosnischen Katholiken aufmerksam gemacht. Während eines Empfanges bei Parlamentspräsidenten Zlatko Tomcic von der Bauernpartei (HSS) betonte der Kardinal, die bosnischen Katholiken könnten ohne Hilfe vom kroatischen Staat und Volk nicht bestehen. Allerdings stehen auch in Zagreb - also in der Republik Kroatiens - die Zeichen auf Sturm, jedenfalls, was die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem nunmehr wieder linksregierten Staat betrifft. In einer Botschaft an die kroatischen Gläubigen hatten die kroatischen Bischöfe ungewöhnlich scharfe Kritik an der jetzigen, unter kryptokommunistischer Führung stehenden Regierung geübt: „Die Arbeiter erhalten für ihre Arbeit (wenn sie überhaupt etwas erhalten) einen Lohn, der für ein menschenwürdiges Leben für sie und ihre Familien nicht ausreicht. Die hohe Arbeitslosenziffer geht nicht zurück. Die demographischen Probleme (Geburtenrückgang) nehmen katastrophale Ausmaße an. Die Rentner leben mit ihren bescheidenen Renten immer schlechter. Die Kriegsteilnehmer fürchten um ihre Rechte und die Jungen suchen ihre Zukunft immer häufiger außerhalb des Vaterlandes. Den jungen Müttern und den Familien mit Kindern wird die ohnedies ungenügende Hilfe noch weiter verringert und ein guter Gesundheitsdienst wird zum Privileg von einigen wenigen.“

Die Zagreber Regierung reagierte auf diese Kritik auf bekannte kommunistische Weise: Sie beschuldigte die kroatischen Bischöfe der „Nähe zu oppositionellen Gruppen“. Die Zagreber Kirchenzeitung konterte mit der Feststellung, die Regierung sei von Panik erfaßt. Es entstehe der Eindruck, daß die Regierenden „abgehoben“ reagierten: „Die Regierung durchlebt nichts, was die Mehrheit der kroatischen Bürger durchlebt. Sie lebt in ihrer eigenen künstlichen Welt.“

Als daraufhin zwei Regierungsmitglieder - der linksliberale Wiederaufbauminister Radomir Cacic (HNS) und der Sozialminister Davor Vidovic (ein Ex-Kommunist) mit antikirchlichen Ausfällen reagierten - der eine sagte, die Bischöfe hätten ihre Kompetenzen überschritten, sich also unzulässig in die Politik eingemischt, der andere forderte die Kirche auf, auf Zuschüsse aus dem Staatshaushalt zu verzichten - sprach die Zagreber Kirchenzeitung Glas koncila (Stimme des Konzils) von der „größten Beleidigung“, welche der Kirche seit dem Sturz des Kommunismus zugefügt worden sei. Die Erklärungen des Sozialministers seien „schändlichst, demagogisch und zynisch“. Der Wiederaufbauminister wiederum, wurde in Glas koncila als eine Gestalt charakterisiert, welche ihre „ideologische Zugehörigkeit zur vulgär-marxistischen und kommunistischen historischen Rumpelkammer“ aufgedeckt habe. Das geradezu vernichtende Urteil der kroatischen Kirche über diese Minister (und damit zumindest indirekt über die Regierung insgesamt) lautet: „Hat es die kroatische Nation etwa nicht verdient, Minister zu haben, welche wenigstens elementare Kenntnisse von einer pluralistischen Gesellschaft haben - Minister, welche wüßten, daß die katholische Kirche zwar vom Staat, nicht aber von der Gesellschaft getrennt ist?“

Nach einer letzten Sonntag in der Zeitung Vecernji list erschienen Umfrage ist die Popularität der regierenden Kryptokommunisten („Sozialdemokraten“, SDP) und des Staatspräsidenten Stipe Mesic rapide abgefallen. Die nationale HDZ des 1999 verstorbenen Präsidenten Franjo Tudjman ist demnach wieder stärkste politische Kraft in Kroatien.


 
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