© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/01 07. Dezember 2001

 
Blick in die Medien
Aufstiegschance
Ronald Gläser

Die bedauerliche Welle der „Ostalgie“ ist nicht zuletzt auf die Medien zurückzuführen, die damals wie heute dem SED-Staat auf den Leim gegangen sind. ARD-Intendant Pleitgen hat kürzlich Berliner Historikern einen Auftrag erteilt, den Stasi-Einfluß auf Ost- und Westmedien zu erforschen. Er sollte sich lieber an die eigene Nase fassen. Die folgenden beiden Einzelschicksale verdeutlichen dies symbolträchtig: Ein trauriges, aber nicht zentrales Kapitel war das Doping von Sportlern. Frauen in Männer verwandelt, Jugendliche gesundheitlich schwer geschädigt etc. Eine Betroffene, Ines Geipel, hat kürzlich ein Buch über das Leiden der Opfer sozialistischen Goldmedaillen-Größenwahns verfaßt. Hagen Boßdorf hatte es einfacher. Er wuchs in Brandenburg auf, brachte es aber nicht zum Spitzensportler. Also studierte er vor der Wende, was einem Regimegegner kaum erlaubt war. Nach der Wende arbeitete er bei der taz und ging dann zum ORB, dem Nachfolger des DDR-Fernsehens. Als Sportreporter machte er Karriere. Zuletzt war er Chefredakteur des Senders ORB. Als im vergangenen Mai das Buch der geschädigten Sportlerin Geipel erschien, wurde die Autorin zu einer Sendung eben dieses TV-Senders eingeladen. Dann lud man sie kurzfristig telefonisch wieder aus. Begründung: Doping könne man den Zuschauern in Brandenburg nicht zumuten. Die Belohnung für den Verantwortlichen: Diese Woche stieg Hagen Boßdorf zum „Sport-Koordinator“ der ARD auf, einer Aufgabe, die hohes Gehalt bei wenig Arbeit verspricht.


 
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