© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/01 14. Dezember 2001


Gleiche Opferstruktur
von Ekkehard Schultz

Fast ein Jahrzehnt lang tobte ein unwürdiger Streit darüber, ob auf dem Gelände der Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin neben den Opfern des NS-Regimes auch denjenigen des sowjetischen „Speziallagers“ gedacht werden solle. Von Kriegsende bis 1950 wurden am Ort des einstigen Konzentrationslagers insgesamt etwa 60.000 Menschen gefangengehalten, von denen circa jeder fünfte an Hunger, Krankheit oder Seuchen starb.

Am vergangenen Sonntag, über zehn Jahre nach der Wiedervereinigung, wurde nun endlich eine Dauerausstellung über die Geschichte des stalinistischen „Schweigelagers“ eröffnet. Diese längst fällige Handlung sollte eine Ehrenschuld abtragen und zugleich im Geiste der deutsch-russischen Versöhnung dienen.

Diese Absicht muß allerdings im russischen Außenministerium vollkommen verkannt worden sein. So beschuldigte dessen Sprecher Alexander Jakowenko die Ausstellungsmacher, „Verbrechen des Faschismus und die Handlungen der sowjetischen Besatzungsmacht“ auf eine Stufe zu stellen. Dieser Vergleich ist wahrlich haarsträubend, hat doch die seriöse Forschung längst nachgewiesen, daß die Insassen in der Mehrzahl keine nationalsozialistischen Funktionäre waren, sondern neben Mitläufern, häufig Gegner der kommunistischen Vorherrschaft sowie willkürlich Verhaftete. Die Parallelen zur generellen Opferstruktur im Stalinismus sind somit unverkennbar. Sollten die eigenen Landsleute das nicht wert sein, Herr Jakowenko?


 
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