© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/01 14. Dezember 2001

 
Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt
Bildung: IHK-Studie bestätigt Pisa / Hoher Ausländeranteil mit negativen Auswirkungen / Deutsch und Mathematik unzureichend
Ronald Gläser

Nicht nur die aktuell diskutierte Pisa-Studie attestiert Schulabgängern in Deutschland unbefriedigende Leistungen. Die Industrie- und Handelskammer Koblenz rief jetzt eine Analyse vom letzten Jahr in Erinnerung. Darin stellten die befragten Firmen den Schulabsolventen ein unbefriedigendes Zeugnis aus. In der Konsequenz führt dies dazu, daß mehr und mehr Lehrstellen unbesetzt bleiben. Von 4.000 befragten Unternehmen hatten über ein Drittel an der Befragung teilgenommen. Jeder fünfte Betrieb konnte - der Studie zufolge - verfügbare Ausbildungsplätze nicht besetzen. Der Hauptgrund waren mangelnde Kenntnisse in Mathematik und Deutsch.

Es liegt auf der Hand, daß Betriebe die Qualifikation von Schulabgängern am besten beurteilen können. Besonders im Einzelhandel, in der Gastronomie und in Dienstleistungsbetrieben ist man davon betroffen. Ein Drittel aller Unternehmen gab an, ausschließlich geeignete Bewerber vorgefunden zu haben. Fast ein weiteres Drittel fand Bewerber, die aber die Ausbildung vorzeitig beendeten. Hinzu kommt, daß die Firmen überraschenderweise vorgeben, Realschüler gegenüber Abiturienten zu bevorzugen. Nur in qualifizierten Bereichen wie der Finanz oder der IT-Branche greift man auf Gymnasiasten zurück. Dies alles läßt vermuten, daß auch die niedrigen Gehälter in einfachen Dienstleistungsbereichen eine Rolle spielen.

Andererseits erklärten 35 Prozent der Unternehmen, ungern Hauptschüler einzustellen. Diese Aussage korreliert mit der Veränderung der Anforderungen. Fast 40 Prozent haben ihr Anforderungsprofil nämlich erhöht. Nur drei Prozent erklärten, sie würden geringere Anforderungen an Bewerber stellen als früher. Zu den wichtigsten Voraussetzungen zählen Arbeitgeber die Kenntnisse im EDV-Bereich. Darüber verfügen auch immer mehr Schulabgänger, doch ausgerechnet diese Fähigkeiten erlernen die meisten Schüler jedoch autodidaktisch statt in der Schule.

Besonders alarmierend ist das Urteil hinsichtlich der Verschlechterung der Qualifikationen der Schulabgänger. Fast die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) behauptet, diese habe sich im Laufe der Zeit verschlechtert, während neun Prozent das Gegenteil konstatieren. Herausragend werden immer wieder zwei Fächer genannt: Deutsch und Mathematik (jeweils vierzig Prozent).

Auch das soziale Verhalten stand auf dem Prüfstand. Selbständigkeit, Leistungsbereitschaft und Konfliktfähigkeit seien unzureichend ausgeprägt, so die Studie. Dafür wird deutschen Schulabgängern Teamfähigkeit und Lernbereitschaft attestiert. Die IHK-Analyse zieht zwar keinen internationalen Vergleich, aber sie offenbart ähnliche Mängel wie die Pisa-Studie. Sie bestätigt den Trend, daß die Schere zwischen den hoch- und den mangelhaft ausgebildeten Schülern weiter auseinandergeht.

Nur sehr vorsichtig umschreiben Politiker und Wissenschaftler die vielleicht entscheidende Ursache für die Negativbilanz. „Soziale Benachteiligung“ oder „kulturelle Distanz“, die zum schlechten Abschneiden beitragen, sind Synonyme für Kinder ausländischer Herkunft. Sie machen unter den 15jährigen Schülern in Deutschland über zwanzig Prozent aus. Ihr Anteil am Gesamterscheinungsbild von Schulabgängern in Deutschland ist also erheblich. Je größer ihr Anteil in einer Schulklasse, in einem Wohnbezirk ist, desto größer sind die Sprachbarrieren. Somit sinken auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Im Jahr 2000 waren 8,7 Prozent der Abgänger allgemeinbildender Schulen Ausländerkinder. Der Anteil von Ausländern an den Auszubildenden im Dualen System machte aber nur 5,7 Prozent aus.

An gesellschaftlichen Brennpunkten manifestiert sich dieser Trend. In Berlin-Moabit etwa findet gerade noch jeder siebente Abgänger der Breitscheid-Schule einen Ausbildungsplatz. In dieser Hauptschule versammeln sich Angehörige von 42 Nationen. Der Ausländeranteil beträgt 67 Prozent. Die Ursachen für die schlechte Beurteilung deutscher Schulabgänger sind also nur bedingt auf das deutsche Schulsystem zurückzuführen. Wer bei der Einschulung die deutsche Sprache nicht beherrscht, wird diesen Startnachteil niemals aufholen. Die sozialen Verwerfungen, die durch die zügellose Einwanderung hervorgerufen worden sind, machen sich jetzt auch im Bildungswesen bemerkbar.

Politiker und Ausländerlobbyisten suchen nach Auswegen. Der Staat solle sich seiner Verantwortung für bessere Sprachkenntnisse der Kinder stellen. Der CDU-Politiker Bülent Arslan stellt dazu fest, daß die ausländischen Familien hiermit überfordert seien. Die Unions-Bundestagsfraktion sucht die Flucht nach vorn und fordert gar eine Senkung der Altersgrenze beim Familienzuzug von Ausländern. In der Union macht sich offenbar die Überzeugung breit, noch mehr Ausländer würden das Problem verringern. Auch die Sozialdemokraten sind ernüchtert von den jüngsten Studien. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden in NRW, Edgar Moron, sind sie ein „Hammerschlag“. Er fordert Sprachausbildung in den Kindergärten, längere Grundschulzeiten und Betreuung in Ganztagsschulen.

Insbesondere in Hinblick auf die Kindergärten wird gerne übersehen, daß mit steigender Anzahl nichtdeutscher Kinder natürlicherweise die Sprachkenntnisse abnehmen. Staatliche Kindergärten leiden ebenso wie Schulen unter hohem Ausländeranteil. Dagegen sind die privaten Kinderläden längst zur Fluchtburg für Kinder aus der deutschen Mittelklasse geworden. In den ehemals alternativen Einrichtungen sind deutsche Kinder weitgehend unter sich.


 
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