© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001


Der Belanglose
von Ivan Denes

Jassir Arafat hat am Sonntagabend wieder eine friedfertige Rede gehalten. Er forderte die Einstellung der Kriegshandlungen und kündigte wieder einmal die Schließung von Hamas und Islamischer Dschihad an, nur diesmal klang alles pathetischer als sonst, zumal er nicht auf Englisch, sondern auf Arabisch - vor dem eigenen Volk zu heucheln hatte. Arafat befindet sich praktisch unter Hausarrest in Ramallah, während die israelische Armee das unternimmt, was er seit Jahren versäumt hat zu tun: Das systematische Ausheben der Terroristen, die Zerstörung ihrer Stützpunkte und Anlagen, die Ausschaltung ihrer Führungskader. Die israelische Regierung hat nach dem jüngsten Massaker die Kontakte zu Arafat abgebrochen und ihn zur „belanglosen“ Person erklärt. Keine noch so gewandte Rhetorik kann ihm seine politische Relevanz zurückgeben.

Auch die EU-Erklärung von Laeken, Arafat bleibe der legitime Verhandlungspartner, werde ihm nicht weiterhelfen: Im Nahen Osten ist die EU politisch selbst nur eine quantité négligeable. Die Regierung Sharon setzt offenbar auf die Nachfolger des Mannes, der nicht fähig war - nach dem Beispiel eines Mandela, eines Begin, ja sogar eines Castro - den Wandel vom Terroristen zum Staatsmann zu vollziehen. Einer Nation, gleichsam einer schönen Frau, kann man den Augenblick der Schwäche nicht verzeihen, in dem jeder hergelaufener Abenteurer sie vergewaltigen konnte, sagt Karl Marx im 18. Brumaire des Louis Bonaparte. Jassir Arafat hat das palästinensische Volk viel Blut und viel Leiden gekostet.


 
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