© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Der Mann Washingtons
Die Wandlungen von Außenminister Fischer
Carl Gustaf Ströhm

Als der „grüne“ Joseph Fischer im Herbst 1998 Hausherr im Auswärtigen Amt wurde, war er nicht nur der erste Außenminster, der ohne irgendeine zu Ende geführte Ausbildung ernannt wurde. Sein politisches Vorleben als linker „Straßenkämpfer“ war derart kontrovers, daß manche CDU-Politiker meinten, wenn schon nicht die Deutschen, dann würden doch die Amerikaner diesem allzu bunten Vogel bald ein Ende bereiten.

Zunächst schien es tatsächlich, als werde Fischer einen deftigen deutsch-amerikanischen Zusammenstoß provozieren. Eine seiner ersten Erklärungen als Minister besagte, er beabsichtige gegenüber den USA und in der Nato die amerikanische Doktrin vom atomaren Erstschlag zur Diskussion zu stellen. Diese Doktrin, die Fischer - in diesem Fall in bester linksradikaler Tradition - anzweifeln wollte, besagt, daß die USA sich vorbehalten, im Falle eines gegnerischen Angriffs als erste atomar zurückzuschlagen - auch wenn der Gegner noch gar keine Kernwaffen eingesetzt hat.

Kurze Zeit später reiste Fischer nach Washington. Danach hat man aus seinem Munde niemals mehr Zweifel an der Erstschlags-Strategie vernommen. Im Gegenteil: Er verwandelte sich in einen Apologeten und Adepten der US-Politik, in einen Atlantiker und Militär-Interventionalisten, der sich - zumindest in diesem Punkt - kaum von den meisten Politikern der Unionsparteien unterscheidet. In Washington erzählte man sich, der neue deutsche Außenminister sitze gewissermaßen bei seiner damaligen Amtskollegin, der gefürchteten Madeleine Albright, auf dem Schoß und sei mit ihr ein Herz und eine Seele.

Was war geschehen? Aufschluß gibt eine Abhandlung in der neuesten Ausgabe der einflußreichen amerikanischen Zeitschrift für Außenpolitik Foreign Affaires (November/Dezember 2001, S. 132ff.). Unter der Überschrift „Der Minister und der Terrorist“ vergleicht der US-Politologe Andrei S. Markovits die Lebensläufe von Fischer und Hans-Joachim Klein. Wie konnten zwei Freunde, die „von der gleichen Stelle starteten“, so weit voneinander entfernt enden - Klein als verurteilter Terrorist und Fischer als Regierungsmitglied und, wie der US-Autor feststellt, „populärster deutscher Politiker“.

Der Professor an der Universität von Michigan sieht die anti-amerikanische Komponente Fischers durchaus realistisch: „Für Deutschland waren, ebenso wie für Japan, die USA Befreier, aber zugleich Okkupant, Rollenvorbild, Protektor, Alliierter, Rivale und Tyrann.“ Unter der Oberfläche der deutsch-amerikanischen Beziehungen „gab es mächtige Gefühle von Partnerschaft und Rivalität“. Natürlich war da auch „Deutschlands Nazi-Vergangenheit“, was bei den 68ern zu „widersprüchlichen Ideen und Wertvorstellungen“ führte.

Was Fischer im Gegensatz zu Klein davon abhielt, den Weg des Terrorismus zu beschreiten, sei seine Neigung zu zwei besonderen Komponenten der „Neuen Linken“: zur „Demokratie und universellen Freiheit“. Fischer habe sich zwar, wie die meisten der seinerzeitigen Freunde, dem Vietnam-Krieg widersetzt, aber er habe keinen tiefen Haß gegen alles Amerikanische kultiviert.

Im Gegenteil: Fischer habe unter dem Einfluß von Habermas den Schluß gezogen, daß der Westen Liberalismus, Humanismus und Demokratie repräsentiere. Er sei für die „Verwestlichung“ Deutschlands eingetreten. Im Gegensatz zu anderen 68ern habe er auch kein Desinteresse am Holocaust gezeigt, sondern sich am Ende mit dem verstorbenen Ignatz Bubis angefreundet, der in „Rainer Werner Fassbinders abscheulich antisemitischen Stück“ als Hauptfigur dargestellt wurde.

Spätestens hier wird klar, daß das US- Establishment nicht nur seinen Frieden mit Fischer und der „realistischen“ Variante des 68er Neomarxismus in Deutschland gemacht hat. Mehr noch: Fischer ist geradezu das Musterbeispiel der gelungenen Domestizierung der Deutschen. In dieser Hinsicht entspricht er genau den amerikanischen Vorstellungen. Nicht die (damals noch konservativen) Unionspolitiker haben die Bundesrepublik Deutschland - diesen, laut Markovits, „zutiefst fehlerhaften Staat“ - im Sinne von „Egalitarismus“ und „Offenheit“ transformiert, sondern es waren Gestalten wie Fischer. Der amerikanische Autor bedauert, daß Leute dieses Schlages in der „Neuen Linken“ eine Minderheit darstellen. Gefährlich erscheinen die verbohrten Anhänger des „realen Sozialismus“ (der allerdings heute keine reale Bedrohung mehr darstellt), vor allem aber jene Linken, die sich nach rechts, in Richtung Nationalismus gewandelt hätten. So strahlend Fischer hier weißgewaschen wird, so düster werden Horst Mahler und Bernd Rabehl dargestellt, die - so Markovits - „eine Reise von der extremen Linken zur extremen Rechten“ vollendeten und deren antiglobalistische Opposition auf Nationalismus beruhe.

Über das heutige Deutschland schreibt Markovits: „Im öffentlichen Leben sind die 68er die aktuelle politische Klasse. In den Universitäten sind sie die etablierten Professoren. Im Journalismus und den Medien halten sie die einflußreichsten Positionen.“ Die Kultur dieser Leute sei, wie man in Foreign Affaires nachlesen kann, „zutiefst westlich“. Das sei „das bleibende Vermächtnis der 68er“.

Fazit: Das „Deutschland“, das sich Joseph Fischer zum Ziel setzte, entspricht den Wünschen der Amerikaner. „Joschka“ - so seltsam es klingen mag - ist ihr Mann.


 
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