© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001


Neulich im Internet
Schaufenster
Erol Stern

Meine „Outlook heute“-Übersicht präsentiert es mir in nackten, nüchternen Zahlen: Nur noch wenige Tage bis Weihnachten; und ich stehe ohne ein einziges Geschenk da! Es ist ein naßkalter Sonntag, und mit einer dampfenden Tasse Kaffee mache ich es mir bequem. Ich habe meine Scheu überwunden und mich mental darauf eingestellt, dieses Jahr eventuell auch online Weihnachtsgeschenke zu kaufen, obwohl ich Bestellkäufe nicht mag. Nach kurzem Brainstorming wähle ich sämtliche Versandhäuser und Kaufhausketten an, die mir in den Sinn kommen. Einfach ein „.de“ an den Namen hängen und mich in die virtuellen Grabbeltische werfen. Langsam bauen sich die Seiten auf, zu langsam. Kaufen Sie dieses oder jenes blinkt es mir überall bunt und nervig entgegen. Das Sortiment, das mich erwartet, ist reichlich dürftig. Nun, schwülwarm und überfüllt wie in den Konsumtempeln ist es nicht, auch werde ich nicht mit Weihnachtsmusik terrorisiert, doch irgendwas fehlt. Der umherschweifende, inspirationssuchende Blick? Mitleidende Zeitgenossen? Denkpausen auf Rolltreppen? Bekanntlich hat die männliche Hälfte der Menschheit beim Shopping einen vergleichbaren Puls wie ein Kampfpilot im Einsatz - die ähnliche existenzielle Bedrohung beider Aktivitäten ist ja auch nicht von der Hand zu weisen - möglicherweise fehlt also der Kick? Es kann aber auch daran liegen, daß ich diese Form des Shoppings noch nicht gewohnt bin und mich deshalb etwas fehlplaziert fühle. Und noch immer keine Geschenke. Immerhin bleibt mir ja die Rettungsstelle: die Parfümabteilung samt Einpackservice im nächsten Kaufhaus, bangt Euer EROL STERN


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