© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Verwahrlosung schafft Kriminalität
Sicherheitspolitik: Bayerns Innenminister Beckstein hielt einen Vortrag bei Münchner Burschenschaft
Philip Plickert

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein hat im Haus der Münchner Burschenschaft Arminia-Rhenania einen Vortrag zum Thema Sicherheitspolitik gehalten. Vor etwa 150 Zuhörern bezeichnete der CSU-Spitzenpolitiker den 11. September als ein „existentielles Ereignis“ und kündigte ein schärferes Vorgehen gegen Islamisten an. Allein in Bayern gebe es 300 gewaltbereite Extremisten, die ihm „schlaflose Nächte“ bereiteten. Ein Verbot des „Kalifenstaat“ sei unbedingt notwendig, da deren Führer bei den Freitagsgebeten zum Mord an „Ungläubigen“ aufgerufen hätten. Die Gruppe Milli Görüs (IGMG) mit etwa 5.000 Mitgliedern in Bayern predige zwar keine Gewalt, ihre politischen Vorstellungen seien jedoch nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, sagte Beckstein. „Es gibt in diesem Land ein Geflecht gefährlicher Menschen, von denen niemand genau weiß, was sie planen“, warnte der Innenminister. Konkrete Hinweise auf Terroranschläge in Deutschland lägen ihm zur Zeit nicht vor.

Im Bereich der „normalen“ Kriminalität setzt Bayern auf eine konsequente Verfolgung auch kleiner Straftaten. Scharf kritisierte Beckstein die Pläne der Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (SPD), Ladendiebstähle bis zu einem Warenwert von 300 DM nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Anstatt Kleinkriminalität zu bagatellisieren, müsse der Rechtsstaat durchgreifen, forderte Beckstein. „Ich bin auch überzeugt von der ‚broken window‘-Theorie des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Rudy Giuliani“, erklärte er, „denn wo Verwahrlosung ist, steigt die Kriminalität.“ Auch die Schleuserkriminalität müsse härter bekämpft werden. „Wir haben gerade den Kopf einer Bande in Haft genommen, der nach interner Buchführung etwa 50.000 Menschen in die Bundesrepublik geschmuggelt hat“, erklärte Beckstein. Den Schaden für den deutschen Staat bezifferte er mit zwei Milliarden Mark.

Danubia wird im VS-Bericht erwähnt

In der Diskussion nach dem Vortrag gab es Fragen zu Becksteins Vorgehen gegen die Burschenschaft Danubia. „Man darf die Burschenschaften nicht unter Generalverdacht stellen“, sagte er. Er freue sich über jeden, der sich einer Verbindung anschließe. Es sei nichts Verwerfliches, „Stolz auf Deutschland“ zu empfinden, gerne die Nationalhymne zu singen oder für den Erhalt der deutschen Kultur einzutreten. „Ich appelliere aber an die demokratische Rechte, die Grenze zum Extremismus scharf zu ziehen.“ Die Aktivitas der Danubia habe diese wiederholt überschritten, weshalb sie nun erstmals im Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes erwähnt werde. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der neben Beckstein auf dem Podium saß, stimmte zu. Dagegen monierte Hans Merkel (CSU), früherer hoher Beamter in der Bundestagsverwaltung, der Verfassungsschutz gerate auf Abwege. „Ich beobachte mit Sorge, daß als verfassungsfeindlich bezeichnet wird, wer die Folgen einer verantwortungslosen Ausländerpolitik anprangert oder ein anderes Zeitgeschichtsbild hat als das herrschende“, sagte Merkel.

Im Anschluß führten Beckstein und Uhl mit Vertretern der Burschenschaft ein Hintergrundgespräch. In Anspielung auf die Koalitionen der SPD mit der PDS sagte der Innenminister, nicht die demokratische Rechte, sondern die Linke hole Nicht-Demokraten in die Regierung. „Aber die ‚political correctness‘ behandelt diese Dinge sehr ungleich“, beklagte Beckstein.

Die Aussicht der neuen Rechtspartei des Hamburger Innensenators Ronald Schill schreckt Beckstein wenig. Schill sei zu unerfahren. Er rufe ihn dreimal pro Woche an, um ihn um Rat zu fragen, sagte der bayerische Innenminister. „Ich schätze Herrn Schill als Wettbewerber, der im Gegensatz zu den Sozis die Koordinaten richtig setzt. Aber ich bin ihm um Längen voraus.“


 
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