© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Nicht nur die D-Mark
Nationale Inszenierungen
Richard M. Göttmann

Studien über die „innere Formierung“ der Nation bestimmen als Modethema seit Jahren eine Hauptströmung historischer Forschung. Noch über die „kritische Sozialgeschichte“ Bielefelder Prägung hinaus, fragt die „historische Anthropologie“ nach Konstanz und Wandel der „Mentalitäten“ derjenigen, die Geschichte „machen“ oder erdulden. Dabei beanspruchen die kulturellen Integrationsmechanismen und Repräsentationsformen, die die Nationsbildung beeinflussen, besondere Aufmerksamkeit.

Nach Abschied von der D-Mark ist man geneigt, für die deutsche Geschichte seit 1949 auf diesem Forschungsfeld nicht allzuviel zu erwarten. War nicht ein profanes Zahlungsmittel das einzige nationale Symbol, das, jenseits des spröden Verfassungspatriotismus intellektueller „Eierköpfe“, in der Bonn-Berliner Republik massenwirksame Identität gestiftet hat? Die Beiträger einer Aufsatzsammlung über die „Inszenierung des Nationalstaats“ machen jenseits der D-Mark noch Identifizierungspotential aus. In der Geschichte des eigenartigen Gebildes, das nun in „Europa“ aufgehen will, gab es durchaus Ehrgeiz, auch herkömmliche Instrumente nationaler Identitätsstiftung zu nutzen.

In Köln hat sich die alte BRD erstmals in großem Stil selbst inszeniert. Volker Ackermann, der in diesem Band eine lesenswerte Kurzfassung seiner Dissertation über „nationale Totenfeiern“ von Wilhelm I bis Franz Josef Strauß bietet, zeigt, wie das Staatsbegräbnis für Adenauer 1967 die „Westbindung“ und das abendländisch-christliche Fundament des Bonner Staates sehr bewußt symbolisiert habe. Spätestens danach, so ist Edgar Wolfrum zuzustimmen, kann nicht mehr von bundesdeutscher „Unfähigkeit zu feiern“ gesprochen werden. Paradox nur, daß Wolfrum herausarbeitet, wie die höchste Stufe der Selbstanerkennung der Bonner Republik, die Feiern zum 40. Geburtstag, in der Rückschau wie ein Abschiedsfest wirkt. Das war kurz nachdem der „8.Mai“ zum Bezugspunkt öffentlicher Reflexion wurde und den die Identitätssuche nach 1989 bestimmenden „Thematisierungsschub zur NS-Vergangenheit“ auslöste.

Sabine Behrenbeck, Alexander Nützenadel (Hrsg.): Inszenierungen des Nationalstaats. Politische Feiern in Italien und Deutschland seit 1860/71. SH-Verlag, Köln 2000, 247 Seiten, 34,77 Euro


 
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