© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/02 11. Januar 2002 |
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LOCKERUNGSÜBUNGEN Bürgersolidarität Karl Heinzen Zum Jahresende 2001 werden es nach ersten Schätzungen Tausende vermeintlich mittelständischer Unternehmen in der guten, alten und schmuddeligen Rechtsform der GmbH & Co. KG gewesen sein, die ihrer neuen Publizitätspflicht nicht nachgekommen sind. Nur wenige, wie zum Beispiel die weitverzweigte Geheimorganisation Aldi, haben wohl kurz vor Toresschluß noch kalte Füße bekommen und sich mit Zahlen zu ihrer Geschäftslage geäußert. Wer als Manager hingegen standhaft blieb, um dem von ihm geführten Unternehmen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus der Hand nehmen zu lassen, wird für seine Prinzipientreue womöglich einiges berappen müssen. Bis zu 25.000 Euro könnte die Standhaftigkeit gegenüber dem Unrecht im Einzelfall kosten. Das ist für so manchen der Betroffenen mehr als ein Monatsgehalt. Noch stärker dürfte die Dritte-Welt-Laden-Kette C&A für ihr Engagement gegen einen menschenverachtenden Gesetzesformalismus zur Kasse gebeten werden: Allein 250.000 Euro an Ordnungsgeld stehen ins Haus, weil das per einstweiliger Verfügung ergangene Verbot, Kartenzahlern 20 Prozent Rabatt einzuräumen, im Vertrauen auf einen langfristigen Sieg der Gerechtigkeit über das Recht einfach ignoriert wurde. Da man sich durch eine durch nichts als tote Buchstaben ermächtigte Obrigkeit nicht einschüchtern lassen wollte, wurde die Rabattgewährung sogar auf alle Kunden ausgedehnt. Neue Formen zivilen Ungehorsams, die optimistisch stimmen, da sie nun nicht mehr von einer Minderheit am Rand der Gesellschaft ausgehen, sondern in ihrer Mitte entstehen. Unternehmen, die aus kurzsichtiger Profitorientierung einem gesellschaftspolitisch verantwortungslosen Opportunismus huldigen, haben längst keine Chance mehr, sich am Markt zu behaupten. Das Erbe der neuen sozialen Bewegungen, das die Grünen ausgeschlagen haben, wird in der Wirtschaft gehütet. Die gesellschaftliche Kontrolle, aus der sich Kirche und Staat aus freien Stücken und auch aus gutem Grund zurückgezogen haben, teilen sich heute die Unternehmen, in denen die Menschen arbeiten, und jene, von denen sie sich ihre Freizeit gestalten lassen. Zivilcourage wird nicht mehr bloß von allen gemeinsam gegenüber einer viehischen Minderheit eingeübt. Auch der Staat bekommt sie zu spüren, wo es ihm an Sensibilität gegenüber den Interessen derjenigen, für die er in erster Linie da sein sollte, mangelt. Recht ist, was der Wirtschaft nützt. Die Wirtschaft sind wir alle. Die Menschen, die sich bei C&A einreihten, haben demonstriert, auf welcher Seite sie stehen: nicht auf jener des Staates, der ihnen das Leben teuer macht, sondern auf der der Unternehmen, die sie kleiden, sie nähren und manchen von ihnen sogar Arbeit geben. Die Umsätze, die C&A auf diese Weise erzielt hat - sie sollen um ein Vielfaches über dem üblichen Niveau gelegen haben - sind nicht bloß eine betriebswirtschaftliche Größe. Sie sind eine demokratische Legitimierung. |
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