© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/02 11. Januar 2002

 
Ein demütigender Absturz für „Kohls Mädchen“
Parteien II: Die K-Frage scheint sich zugunsten von Edmund Stoiber zu entscheiden
von Alexander Barti

Zuerst sah es nicht so aus, als ob es zur offenen Feldschlacht kommen würde. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) schien ganz aufzugehen in der Rolle des jovialen Landesvaters und erklärte noch im November 2000, eine Kanzlerkandidatur komme für ihn definitiv nicht in Frage. Vielleicht hatte er das damals - als rot-grün noch fest im Sattel saß - auch tatsächlich so gedacht. Mit der Zeit wuchs seine Popularität auch über Bayerns Grenzen hinweg deutlich an. Stoiber konnte nicht nur mit ordentlichen Wirtschaftsdaten punkten, sondern verstand es auch, sein intaktes Familienleben unauffällig auffällig der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das brachte ihm zusätzliche Sympathien ein, noch dazu auf einem Terrain, wo ihm der „Medienkanzler“ Schröder (SPD) mit seinen verkorksten Ehen, Stasi-Verwandten und Stiefgeschwistern nicht das Wasser reichen konnte.

Daß CDU-Chefin Angela Merkel von Anfang an ganz nach oben wollte, kann man ihr getrost unterstellen, denn anders als Stoiber hatte sie nicht die Möglichkeit, ihre Regierungslust an der Spitze einer wichtigen Landesregierung auszutoben. Sie blieb ein Parteifunktionär ohne Hausmacht und Regierungserfahrung. Allerdings hatte sie auch einige Trümpfe in der Hand: Als Frau und mit mitteldeutscher Herkunft kann sie glaubhaft vermitteln, daß die Union in der Postmoderne angekommen ist. Außerdem soll sie bei der Parteibasis beliebt sein. Das hätte für eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur reichen können.

Doch dann kam alles anders. Die zusammenstürzenden Twin Towers in New York und phantastische 20 Prozent für die Schill-Partei bei der Hamburger Bürgerschaftswahl schreckten die Partei-Strategen der Union auf, der konturlose Wischi-Waschi-Kurs wurde eingedämmt. Plötzlich konnte man sich kritisch zu Zuwanderung, Innere Sicherheit und Mulitkulti äußern, ohne sofort in die extremistische Ecke gestellt zu werden. Auch den „Gutmenschen“ blieb nicht verborgen, daß sich die Gesellschaft seit einiger Zeit in die falsche Richtung bewegt hatte.

Mit der veränderten Stimmung konnte der „Rechte aus Bayern“ seinen Vorsprung in der Wählergunst deutlich ausbauen. Doch Stoiber hielt sich weiterhin bedeckt. Ende Oktober lancierte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ein geniales Ablenkungsmanöver, als er Wolfgang Schäuble (CDU) als möglichen Kanzlerkandidaten ins Spiel brachte. Dieser schwieg zwar geschmeichelt, konnte aber Merkel auf Anhieb auf den dritten Platz der Demoskopen verweisen. Für sie muß dieser Absturz demütigend gewesen sein, aber das Handtuch warf sie noch immer nicht. Wollte sie nicht weiter demontiert werden, mußte sie in die Offensive gehen. Aus dieser Sicht ist es verständlich, daß Merkel trotz aller Waffenstillstandsbeteuerungen am 6. Januar ihre Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärte. Wie bei einem Duell hat sie die Nerven verloren und sich zuerst bewegt. Obwohl auch Stoiber prompt nachzog, spielte er glaubhaft den Überlegenen. Bei der CSU-Tagung in Kreuth überließ er es am 8. Januar seiner Landesgruppe, ihn um die Kanzlerkandidatur zu bitten. Souveräner kann man sich schwerlich geben.

Edmund Stoiber hat in dieser Auseinandersetzung noch einen gewaltigen Vorteil: Er wird sechs Tage nach der Bundestagswahl 61 und ist damit in einigen Jahren sowieso weg vom Fenster. Deswegen kann er auf die Unterstützung der Kochs, Merz´, Müllers und Wulffs rechnen, deren Fortkommen bei einer fest etablierten Merkel für lange Zeit blockiert sein dürfte.

Aber das Spiel ist für Merkel noch nicht vorbei und für Stoiber noch nicht gewonnen. Sollte Merkel die Chance zum ehrenvollen Rückzug nicht akzeptieren, könnte bei einer offenen Kampfabstimmung in der Fraktion viel Porzellan zerschlagen werden. Teile der Union wären gekränkt und verletzt und stünden nicht uneingeschränkt hinter ihrem neuen Heerführer. In der heißen Phase des Wahlkampfes könnte es zu Querschüssen und Intrigen kommen, die letztlich die entscheidenden Prozentpunkte zum Sieg kosten würden. Stoiber hätte damit einen Phyrrus-Sieg errungen.


 
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