© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Nach der K-Frage die Gretchen-Frage
Schill-Partei: Nach der Entscheidung der Union für Stoiber droht ein Streit um eine Beteiligung an der kommenden Bundestagswahl
Peter Freitag

Mit der Entscheidung für Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat der Union ist ein Antreten der Partei Rechtsstaatlicher Offensive zu den Bundestagswahlen im kommenden Herbst unwahrscheinlicher geworden, sollte sich der Vorsitzende Ronald Schill mit seiner Ansicht durchsetzen. Doch der Ansicht, nur im Falle der Kandidatur Angela Merkels ins Rennen zu gehen, war aus den eigenen Reihen - so von seinem Stellvertreter Mario Mettbach und Schatzmeister Norbert Frühauf - widersprochen worden (JF 3/02).

Eine endgültige Klärung dieser Frage steht noch aus, die Entscheidung werde voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei Wochen auf Vorstandsebene getroffen. „Bisher ist noch alles offen“, so ein Mitarbeiter der Hamburger Parteizentrale gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Offensichtlich ist man in der Partei darum bemüht dem Verdacht entgegenzutreten, an dieser Frage könne sich ein größerer Streit an der Spitze entzünden. Denn es wurde immerhin von mehreren Vorstandsmitgliedern öffentlich dem Vorsitzenden widersprochen. Mettbachs Hinweis, man solle sich nicht von Entscheidungen anderer Parteien abhängig machen, ist nicht zuletzt eine Warnung an Schill: denn der könnte Gefahr laufen, einerseits als zu autokratisch über die Geschicke der Partei zu bestimmen und andererseits lediglich als Appendix des starken Mannes aus Bayern zu gelten.

Daß die Aussichten, sich erfolgreich gegenüber der Union profilieren zukönnen, mit einem CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Stoiber deutlich schlechter geworden sind, wird bei den Überlegungen sicherlich die entscheidende Rolle spielen. Denn die Verweise auf das erfolgreiche Bayern haben einen nicht unerheblichen Anteil in den Argumenten des Schill-Wahlkampfes in Hamburg gespielt. Auf der anderen Seite könnte jedoch der durch die bundesweit hohen Umfragewerte gesteigerte Kampfgeist der Parteibasis ins Gewicht fallen. Als Argument könnte ihr der Hinweis dienen, daß auch Stoiber allein die CDU nicht konservativer mache. Sollte die Partei Rechtsstaatlicher Offensive bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im April wieder einen Erfolg erzielen, könnte sich der Druck aus den eigenen Reihen erhöhen und ein Antreten zur Bundestagswahl quasi erzwingen.

Die Vermutung, daß die mögliche bundesweite Ausdehnung der Schill-Partei eine Rolle gespielt habe bei der Lösung der „K-Frage“ zugunsten Edmund Stoibers, wies der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Manfred Grund im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT zurück. Schill habe seinen Erfolg den speziellen Verhältnissen in Hamburg zu verdanken, diese Bedingungen seien nicht übertragbar: „Ich sehe in der Schill-Partei keine Bedrohung für die Union.“ Den Schill-Wählern in Hamburg sei mittlerweile klar geworden, daß sie ihre Erwartungen herunterschrauben müssen. „Da geht es ihnen, wie in den neuen Bundesländern den Wählern der PDS“, so der 56jährige Diplomingenieur aus dem katholischen Eichsfeld, der auch Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Thüringen im Bundestag ist.


 
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