© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Deutsche Panzer gegen Saddam Hussein
Naher Osten: Die Anzeichen für eine bevorstehende US-Militäraktion gegen den Irak verdichten sich
Ivan Denes

Ob wir Saddam Hussein von der Macht entfernen oder nicht wird die Konturen der entste-henden neuen Weltordnung möglicherweise für Jahrzehnte bestimmen. Entweder wird es eine Weltordnung sein, die zu unseren liberal-demokratischen Prinzipien und zu unserer Sicherheit führen wird, oder sie wird eine sein, in der es brutalen, gut bewaffneten Tyrannen gestattet wird, Demokratie und internationale Sicherheit in Geiselhaft zu nehmen“. Dies ist die zentrale These von William Kristol und Robert Kagan in einem umfangreichen Beitrag in der jüngsten Ausgabe des Washingtoner Weekly Standard. Das Wochenblatt ist so etwas wie der ideologische Bannerträger der neuen republikanischen Politik unter Präsident George W. Bush.

Trotz erheblichen Widerstandes seitens der Demokraten im Kongreß, scheint die Aktion gegen Iraks Präsident Saddam Hussein beschlossene Sache zu sein, da ändert auch Bushs Ohnmachtsanfall vom vergangenen Sonntagnachmittag nichts. Der republikanische Senator John McCain sagte letzte Woche bei einem Besuch des Flugzeugträgers „USS Theodore Roosevelt“ im Arabischen Meer: „Die Irakis stellen eine eindeutige und aktuelle Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten dar.“ Nach Afghanistan müsse nun der Irak als Ziel in Betracht gezogen werden, so der einstige Präsdentschaftsbewerber. Senator Chuck Hagel sprach sich für militärische Angriffe zum Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Hussein aus, allerdings nur mit Unterstützung der internationalen Koalition gegen den Terrorismus. In diesem Kontext klingt auch das verzweifelte verbale Strampeln von Verteidigungsminister Rudolf Scharping vor der Öffentlichkeit - die Entsendung der deutschen ABC-Abwehrtruppe nach Kuwait sei lediglich in Planung, nichts sei beschlossen - wenig glaubwürdig.

Der Hauptgrund, der die USA veranlaßt, die Aktion gegen Saddam Hussein nicht weiter auf die lange Bank zu schieben, ist eben die akute Gefahr, so daß Iraks ABC-Waffen jeden Tag einsatzbereit werden können. Und die Bundeswehrexperten verfügen mit dem Spürpanzer Fuchs über ein Gerät, das einmalig in der Welt ist. Ob Scharping es bestätigt oder nicht: Die 800 ABC-Abwehrspezialisten werden abmarschieren - sie wurden den USA versprochen.

Die Vorbereitungen der USA laufen auf Hochtouren. Das Hauptquartier der 3. US Army unter General Paul Mikolashek ist im Dezember von Fort McPherson in Georgia nach Kuwait transferiert worden. Die Großverbände der 3. Armee bewegen sich in Richtung Mittlerer Osten. Dazu gehören Einheiten der 82. Luftlandedivision, der 101. Luftangriffsdivision, der 1. und der 24. mechanisierten Infanteriedivision, der traditionsreichen 1. Kavalleriedivision, der 1. und der 3. Panzerdivision. Bis Ende Januar sollen 75.000 Mann der US-Armee verlegt worden sein. Dazu kommen die Verbände der US-Luftwaffe, die mit 10.000 Reservisten aufgestockt wurden, die ihre Einberufungsbefehle für Anfang Januar erhalten haben. Die langfristig angelegten Waffenlager der US-Streitkräfte in Israel wurden geöffnet. Neue Verbände der Airforce wurden verlegt auf Stützpunkte in der Türkei, in Israel (Negev), Zypern (auf dem britischen RAF-Stützpunkt), Ägypten (Sinai) und Diego Garcia im Indischen Ozean. Die Besatzungen der US-Navy auf der jemenitischen Insel Socotra und dem Hafen von Hodeida wurden verstärkt. Den Israelis steht der große Marine- und Luftwaffenstützpunkt auf den eriträischen Dalak-Inseln zur Verfügung.

Die amerikanischen Planungen schließen das Mitwirken von Verbänden der nordirakischen Kurden, des Irakischen Nationalen Kongresses, der türkischen, jordanischen, kuwaitischen und eventuell der saudi-arabischen Streitkräfte mit ein. Die israelische Luftwaffe und Kommandoeinheiten sollen in der westirakischen Wüste zum Einsatz kommen, um die Abschußrampen irakischer Raketen, die diesmal möglicherweise chemisch oder bakteriologisch geladene Sprengköpfe führen könnten, vorzeitig anzugreifen. Unklar ist bislang, wie sich der Iran verhält, wenn sein „Erzfeind“ Saddam Hussein angegriffen wird. Sollte sich auch die iranische Armee in Bewegung setzen, könnte der Militärschlag sehr schnell zu Ende geführt werden.

Die Planungen des US-Generalstabes tragen den strategischen Änderungen Rechnung, die in den irakischen Streitkräften nach der Niederlage im Golfkrieg („Desert Storm“ 1991) durchgeführt wurden. Die Iraker wissen, daß sie im Luftkampf gegen Amerikaner, Briten, Israelis keine Chancen haben, daher wurden die irakischen „Republikanischen Garden“ in kleine, mobile Einheiten aufgesplittet, die eigenständig operieren können und die sich aus versteckten Waffen- und Treibstofflagern, die auf die Fläche des ganzen Landes verteilt worden sind, versorgen werden. Auch im Irak produzierte handliche Laserwaffen sollen zu der Ausrüstung dieser Mobiltrupps gehören; sie sollen für Hubschrauber und tieffliegende Flugzeuge gefährlich sein.

Die Amerikaner planen:

- Einen massiven Einsatz von Marschflugkörpern, Raketen schweren Bombern und Kampfjets, der alles bisher in den letzten Jahren Erprobte übersteigen wird, und Zentren der irakischen politischen Macht und die Kommandozentrale, einschließlich der verbunkerten und unterirdischen Zentralen, zerstören soll.

- Die türkische Armee soll mit Panzerverbänden in den Norden des Irak einrücken und kurdische Verbände massiv unterstützen. Die Verhandlungen mit dem eher westlich orientierten Chef der Patriotischen Front der Kurden, Dschalal Talabani, seien erfolgreich gewesen, mit dem Führer der Demokratischen Partei (KDP), Massud Barsani sind die Gespräche noch im Gange. Der eher traditionell orientierte Sohn des KDP-Gründers Mustafa Mullah Barsani streitet seit Jahren mit Talabani um die Führungsrolle.

- Amerikanische, jordanische und israelische Sondereinheiten sollen Kommandoaktionen gegen Waffenlager, Konvois, Kommandozentralen, Treibstoffdepots usw. führen.

- Schwere gepanzerte Verbände der US-Armee werden von Kuwait aus in Richtung Basra und in Richtung Bagdad vorrücken. Diesmal soll die US-Armee den Krieg nicht durch Stellvertreter führen lassen, wie es in Afghanistan der Fall gewesen war. Sie sollen auch nach dem Zusammenbruch des Saddam Regimes für Ordnung sorgen und den Aufbau eines demokratischen Staates fördern.

Da in der Türkei und in Israel die Abwehrmaßnahmen gegen einen möglichen Angriff mit chemischen oder bakteriologischen Waffen noch nicht abgeschlossen sind, wurde die Operation vorerst bis Ende Februar verschoben.

„Das Problem besteht heute nicht nur darin, daß, wenn es uns nicht gelingen sollte Saddam zu beseitigen, dies eines Tages auf uns zurückfallen wird. Auf einer tiefer gelagerten Ebene: Saddam nicht zu beseitigen, würde bedeuten, daß, trotz all dem, was am 11. September geschehen ist, wir als Nation noch immer nicht willens sind, die Verantwortung für die globale Führung zu übernehmen, selbst nicht zu unserem eigenen Schutz“, schließt The Weekly Standard.


 
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