© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Pankraz,
Brigittes Fragen und die Schönheit im Beruf

Zum Schmunzeln verführt die jüngste Umfrage von Brigitte über den Wert der Schönheit, den Frauen sich zumessen. Siebenundfünfzig Prozent der Befragten sagten demnach, daß die Schönheit dem Fortkommen im Beruf nützlich sei; in den siebziger Jahren waren angeblich nur einunddreißig Prozent der Frauen dieser Meinung gewesen. Genau umgekehrt verhält es sich laut Brigitte mit dem Wert der Schönheit im Privatleben. Nur dreiunddreißig Prozent halten sie dort für wichtig, über fünfzig Prozent sind der Meinung, daß Schönheit im Privatleben „nichts bringt“. Damals, in den fernen Siebzigern, waren noch weit über fünfzig Prozent davon überzeugt, daß Schönheit gerade im Privatleben eine eminent wichtige Rolle spiele.

Man kann das Ergebnis so zusammenfassen: In den Siebzigern machten sich die Frauen für ihren Mann oder Freund schön, heute tun sie das in erster Linie für ihren Chef (oder für die Agentur, die ihnen einen Job vermitteln soll). Nicht exzellente Zeugnisse und einschlägige Begabungen spielen die Hauptrolle, sondern die Attraktivität und Magie der weiblichen Erscheinung, der ästhetische Knalleffekt, die Schmuckfunktion fürs Büro oder Studio.

An sich ist das nicht überraschend, es dementiert aber die gängige Ideologie von der geschlechtsneutralen Gleichheit der Waffen im Jobgeschäft, die mittlerweile durchgesetzt sei. Frauen, so kommt heraus, setzen nach wie vor und verstärkt auf die arteigenen Arsenale des Eindruckmachens und der Vorteilgewinnung, und die Männer sind damit offenbar völlig einverstanden. Ist eine Mitarbeiterin faul oder unbegabt, aber schön, so dauert es trotzdem lange, bis ein Chef sie deshalb vor die Tür setzt; lieber erledigt er das Pensum der besagten Mitarbeiterin selber nebenher mit, so gut und solange es geht. Die Schönheit ist eine überaus produktive Kraft, doch sie bringt letztlich nur den in Bewegung, der sie anschaut und in seiner Nähe halten will.

Deprimierend ist der zweite Teil der Brigitte-Umfrage (sofern man solchen Umfragen trauen kann): daß die Frauen auf Schönheit im privaten Umgang, speziell im Familien- und Freundeskreis, kaum noch Wert legen. Alle Verschönerungs-Operationen werden für den Job aufgespart, zum Ausgleich läßt man sich zu Hause gehen und raubt dem Lebenspartner auch noch die letzten Illusionen. Es gibt keine Form mehr im privaten Feld, geschweige denn Ritual, Zeremonie, ästhetisches Spiel, alles ist flach pragmatisch und auf pure Effizienz abgestellt, wie es eigentlich im Beruf der Fall sein sollte. Die Dinge haben sich um hundertachtzig Grad gedreht.

Inwieweit und in welcher Form sich solche Umkehr auf die Lebensverhältnisse insgesamt auswirkt - darüber möchte man gern einmal etwas lesen. Leidtragende Nummer eins scheint die Schönheit an sich und überhaupt zu sein. Sie wird in einer Weise enterotisiert und entsublimiert, daß am Ende nicht mehr viel von ihr übrig bleibt. Natürlich herrschen auch im Büro und im Studio erotische Konstellationen, viele Chefs verlieben sich in ihre Sekretärin, heiraten sie, unter Verstoßung der bisherigen Ehefrau (übergroßes Beispiel: Mercedes-Schrempp). Aber unterm Strich gilt doch, daß die Liebe im Beruf den Sachen gilt und nicht den Personen, daß es um Erträge geht und nicht um Tete-à-tete. Die Schönheit entartet zum Kostenfaktor, der bei der Jahresbilanz auf Euro und Cent abgerechnet wird.

Eine der Folgen ist die totale Normierung. Gerade die weibliche Schönheit steht ja - im Gegensatz zur männlichen; Thomas Mann hat das einige Male sehr originell zur Sprache gebracht - seit jeher in der Gefahr, einem Kanon von wenigen Merkmalen unterworfen zu werden, zur bloßen Mode, zur öffentlichen Maske gemacht zu werden. Im privaten Verhältnis wird die Gefahr gemildert durch die zärtlichen Vorlieben des Freundes, der auf Macken und individuelle Nuancen anspricht. Für die Sphäre der Jobs und Berufsrollen trifft das nicht zu. Hier wird einzig die jeweilige Modeform honoriert, die schnell zur Schablone wird, zur Norm eben. Die Schönheit erstarrt zur Figur aus der Fernsehreklame.

Und nicht nur Macken und äußerliche Nuancen gehen darüber flöten, sondern sehr schnell auch die gesamte „Innenbindung“ der Schönheit, wie der große Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer das genannt hat. Die seelische Grazie, die jede äußere Schönheit nährt, wird gleichsam abgeknipst, so daß aus schönen Frauen hübsche Puppen werden, „Models“. In klinischer Reinheit kann man diesen Vorgang in den großen Modestudios beobachten. Die Models dort sind derart enterotisiert, ja, mechanisiert, daß sich faktisch kein Mann mehr in sie verlieben mag und gleichgeschlechtliche Bindungen eindeutig bevorzugt werden.

Im Grunde ist die Brigitte-Umfrage gar nicht zum Schmunzeln, eher zum Alarmschlagen, zumal wenn man sich erinnert, daß die zum Vergleich mit heute herangezogenen siebziger Jahre Ausnahmejahre waren, kulturrevolutionäre Rabaukenjahre, in denen sich viele Mädchen einreden ließen, daß es nicht im geringsten darauf ankomme, schön zu sein, daß man vielmehr grell, schlampig und ungepflegt auftreten müsse, besonders im Binnenverkehr, in der „Wohngemeinschaft“. Dennoch hat damals, der Umfrage zufolge, eine große Mehrheit Wert auf Schönheit im Privatleben gelegt, im Gegensatz zu heute, wo diese Schönheit nur noch fürs Berufsleben mobilisiert werden soll.

Der Weg zur „Gleichberechtigung“ scheint irgendwie in die Sackgasse geführt zu haben. Das weibliche Element scheint das ihm angeborene Schönheitsverlangen zwar nicht preisgegeben, aber doch - fataler noch - auf dem Altar des öffentlichen Mitmachenwollens um jeden Preis geopfert zu haben. So etwas pflegt sich zu rächen. Denkbar sind Zustände, in denen die Frauen ausschließlich und gnadenlos nur noch nach ihren beruflichen Fähigkeiten und Anstrengungen beurteilt werden.


 
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