© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
PRO&CONTRA
Den Tierschutz im Grundgesetz verankern?
Dr. Eisenhart von Loeper / Hasan Özdogan

Muslimische Metzger dürfen neuerdings entgegen dem gesetzlichen Betäubungsgebot Tiere betäubungslos schlachten und ihnen dadurch schwerste Todesnot zufügen. Das Bundesverfassungsgericht gibt mit diesem Schächt-Urteil die eigene europäische Kultur preis, die den Schutz der Schwächeren auch auf wehrlose Tiere erstreckt. Der religiösen Toleranz für mittelalterliche Bräuche von Minderheiten zuliebe.

Doch dieser Irrweg hat eine tiefere Ursache: Das Grundgesetz garantiert die Grundrechte der Menschen, aber schweigt zum Schutz der Tiere. Die Folge: Das niederrangige Tierschutzgesetz gleicht einem Haus ohne Fundament, es ist weitgehend wirkungslos. So kommt es ungeprüft zu qualvollsten Versuchen mit Affen, nach dem bloßen Belieben der Experimentatoren. Das bricht sogar die verbindliche Europäische Tierversuchsrichtlinie. Und selbst im Namen der Kunst- und Lehrfreiheit dürfen Tiere - entgegen dem Tierschutzgesetz - gequält und getötet werden. Das verletzt den Nerv des Rechtsgefühls der großen Mehrheit der Menschen und erschüttert die Glaubwürdigkeit des Rechts. Allerdings muß der Deutsche Bundestag in wenigen Monaten erneut über die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz entscheiden. Dann wird sich zeigen, welche Parteien das Tierschutzgesetz effektiv anwendbar machen wollen.

Die Unionsparteien mit ihrem Kanzlerkandidaten Stoiber stehen vor einer spannenden Herausforderung: Können sie die „Altlast“ ihrer seitherigen Verweigerung einer Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz überwinden? Werden sie den Willen der überwältigenden Mehrheit der Menschen beachten, denen das Mitgefühl mit Tieren viel bedeutet? Es könnte sogar bei der Bundestagswahl eine erhebliche Rolle spielen. Verharren die Unionsparteien in ihrer Blockadehaltung, könnte das ihren Gegnern parteipolitisch nur willkommen sein.

 

Dr. Eisenhart von Loeper ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Tierversuchsgegner - Menschen für Tierrechte e.V. in Nagold.

 

 

Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland wehrt sich mit aller Entschiedenheit gegen den vom Deutschen Tierschutzbund und dem Bundesverband der Tierversuchsgegner erhobenen Vorwurf, das islamische Schlachten und somit die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe verleihe der Tierquälerei in Deutschland ab sofort den Status „uneingeschränkter Legalität“.

Die von den Tierschützern als Konsequenz aus dem höchstrichterlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe geforderte Verfassungsänderung mit dem Ziel, das islamische Schlachten durch die Hintertür wieder zu entkräften, ist bei genauer Betrachtung unreflektiert und doppelzüngig.

Gemäß den Vorschriften des Islam darf einem Tier beim Schlachten kein Schmerz zugefügt werden. Allein das islamische Schlachten, bei dem dem Tier mit einem einzigen sauberen Schnitt beide Hauptschlagadern sowie Speise- und Luftröhre gleichzeitig durchtrennt werden, garantiert diese für das Tier humanste Form der Tötung. Dieser Argumentation ist das Verfassungsgericht in einer entsprechenden veterinär-medizinischen Expertise deutscher Tierärzte gefolgt.

Den „Tierschützern“ bleibt nur die Frage zu stellen: Wie verhält es sich denn tatsächlich mit der bisher in Deutschland praktizierten Form des Tierschutzes? Wo bleibt der Aufschrei der Tierschützer angesichts der nicht artgerechten Haltung und Fütterung von Wiederkäuern, also Pflanzenfressern, mit dem zermahlenen Kadavermehl ihrer Artgenossen? Tiertransporte in Deutschland, Exotenhaltung u.v.m. sind doch statt dessen die von uns allen nur verdrängte Realität. Es mutet daher wie ein Hohn an, das islamisches Schlachten, zumal noch unter veterinär-ärztlicher Aufsicht und nicht in unkontrollierten Privatschlachtungen, als Tierquälerei zu brandmarken und gleichzeitig auf dem anderen Auge blind zu sein.

 

Hasan Özdogan ist Ratsvorsitzender des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland in Bonn.


 
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