© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Außenpolitik als Abwägung
Der junge Haushofer
Richard M. Göttmann

Eine nicht alltägliche Konstellation gab es am 7. Januar zu bestaunen: Ein sozialdemokratischer Bundesinnenminister und einstiger RAF-Anwalt, Otto Schily, Seite an Seite mit dem CDU-Mann fürs Kulturelle, Ex-Senator Christoph Stölzl, ehrt einen „Jungkonservativen“ und Ribbentrop-Berater, nämlich den 1945 unweit von Schilys Berliner Amtssitz von der SS erschossenen Geopolitiker Albrecht Haushofer.

Anlaß für dieses Ereignis, das zur allgemeinen Überraschung kein linksliberales Ritual des „Entsetzens“ auslöste, war die Enthüllung eines von der Ernst Freiberger Stiftung finanzierten Denkmals zur Erinnerung an einen der wenigen deutschen Intellektuellen der zwanziger und dreißiger Jahre, der in der Lage war, Chancen und Risiken außenpolitischer Optionen des Reiches realistisch einzuschätzen. Dieses Wissen brachte Haushofer nach 1933 sehr bald in Opposition zur Hitlerschen Fixierung auf die Alternative „Weltmacht oder Untergang“, was der politisch ehrgeizige Geographie-Professor im Umfeld des „20. Juli“ schließlich mit dem Leben bezahlte.

Der Berliner Historiker Ernst Haiger, der wohl beste Kenner von Biographie und Werk des „jungen“ Haushofer. Er vermittelt in dem während des Festaktes präsentierten Band - neben Amelie Ihering, die sich der Deutung von Haushofers „Moabiter Sonetten“ widmet und Carl Friedrich von Weizsäcker, der persönliche Erinnerungen an den Freund beisteuert - tiefenscharfe, von der Abgeklärtheit des gelernten Mediävisten und nüchternen Diktion des Lateiners geprägte Einblicke in die Ambivalenzen seines Lebens- und Denkweges. Das Buch ist aufwendig ausgestattet mit vielen bislang unveröffentlichten Fotos illustriert.

Diese dichte biographische Studie bietet einmal mehr Anlaß, über das Schicksal der „Konservativen Revolutionäre“ im Dritten Reich nachzudenken - fernab von allen wohlfeilen „Wegbereitungs“- und „Vordenker“-Etiketten, die, wie Haiger eingangs dokumentiert, noch immer die Urteile renommierter Historiker bestimmen.

Ernst Haiger, Amelie Ihering, Carl Friedrich von Weizsäcker: Albrecht Haushofer. Langewiesche-Brandt, Ebenhausen 2002, 159 Seiten, Abbildungen, 38 Euro


 
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