© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Leserbriefe

Zum Interview mit Walter Sickert, JF 3/02

Falsche Behauptungen

Erstens ist die Behauptung von Sickert, Brandt habe „immer nur mit der SED verhandelt, um Verbesserungen für die Deutschen in der DDR zu erreichen“, keinesfalls jedoch aus wahltaktischen Gründen, schlichtweg falsch. Dazu empfehle ich das Buch von Hubertus Knabe „Der diskrete Charme der DDR“, Abschnitt „Wahlkampfhilfe für die SPD“.

Zweitens treibt es mir die Tränen in die Augen, wenn ausgerechnet Moritz Schwarz in der JF Willy Brandt mit der Auszeichnung „patriotisch“ versieht. Ich zumindest verstehe unter Patriotismus etwas anderes, als erhebliche Teile des eigenen Staatsgebietes (mit reicher und jahrhundertealter Kulturgeschichte) an Nachbarländer zu verschenken und dafür den Friedensnobelpreis zu bekommen.

Volker Groß, Steinbach

 

 

Zu: „Millionenschwere Patenschaften“ von Alexander Griesbach, JF 3/02

Schmutz-Journalismus

Der Stern, der mit seinen oberflächlichen Recherchen schon öfter Schiffbruch erlitten hat, erreichte mit seinem Artikel über die Spendenbescheinigung der CSU: einen neuen Tiefpunkt eines Schmutz-Journalismus, der unter Mißbrauch der Pressefreiheit einen unseligen Meinungsterror verbreitet. Die von der CSU ausgeübte Praxis war seit 1993 bekannt und wurde 1996 vom Bundestag, der höchsten politischen Instanz, abgesegnet. Die Akteure dieser unverantwortlichen und böswilligen Kampagne verdienen unsere Verachtung, denn sie sind die wahren Zerstörer unserer freiheitlichen Demokratie. Eine Schande ist es, daß auch Rot-Grün aus durchsichtigen Gründen sich dem heuchlerischen Chor der Mitläufer anschließt. 

Herbert Gaiser, München

 

 

Zu: „Startschuß für die monetäre Titanik“ von Kai-Alexander Schlevogt und „Der Euro entscheidet noch nichts“von Björn Schumacher, JF 3/02

Unterschiedliche Ansichten

Nicht nur, daß Schlevogt Mutmaßungen über die Zukunft im Indikativ erzählt und so als Gewißheit hinstellt, er behauptet doch allen Ernstes „die Euro-Umstellung (habe) zu einem Inflationsschock geführt, der wie bei der Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg durch Einmalentwertung ein großes Maß an Kaufkraft ... abschöpfte und Sparvermögen verringerte“. Solche, von jedermann falsifizierbaren Behauptungen von sich zu geben, wirkt der gewünschten Wirkung einer Argumentation geradewegs entgegen.

Daß man die EU-Problematik auch anders behandeln kann, beweist der Beitrag von Björn Schumacher. Man muß seine Ansichten nicht immer teilen, aber darüber kann man ernsthaft diskutieren. Es ist Schumacher zuzustimmen, wenn er die „schweren demokratischen Defizite der EU“ herausstellt. Ob das allerdings eine unvermeidliche Folge supranationaler Staats- und Gesellschaftsbildung ist und bleiben wird, würde ich mit Gewißheit nicht vorauszusagen wagen. Einverstanden, kurz- und mittelfristig kann man das als sicher annehmen. Ob uns aber nur eine „Renationalisierung“ „Frieden und Wohlstand“ bewahren kann, bezweifle ich. Ich meine, daß die Übervölkerung der Erde so oder so in steigendem Maße zu Konflikten führen wird, sei es um den Zugriff auf die knapper werdenden Ressourcen, sei es aus sonstigen Gründen (z.B. „Kampf der Kulturen“), und daß damit ein allmählicher, aber deutlicher Rückgang unseres Wohlstandes verbunden sein wird. Ob Europa nun unioniert oder nationalstaatlich organisiert ist, spielt dabei keine Rolle. Was die Zukunft betrifft, so halte ich es mit Nietzsche: „Alles Entscheidende entsteht trotzdem.“

Dietmar Burger, München

 

Goldrichtige Akzente

Der Verfasser des Hintergrundartikels setzt die Akzente goldrichtig - auch im Detail. Und alles wesentliche steht drin. Es gibt sie also noch, die Strategen, an denen sich andere hierzulande aufrichten können und müssen. Wenn nichts in dieser Richtung in nächster Zeit erschienen wäre, stand ich auf dem Sprung, ihnen etwas zuzuschicken - bei so vielen „Mantras“ allerorten. 

Rolf Sünderhauf, Rösrath

 

Euro muß auf den Prüfstand

Dieser eklektische, betriebswirtschaftlich-politologische Artikel mit seinen eigenen zehn Thesen zum Euro trifft nicht den eigentlichen Hebelpunkt der politischen Ökonomie. Denn richtige politische Ökonomie als Wissenschaft hat immer die Aufgabe, über den versteckten, bestimmenden Hintergrund von Macht und Geld. Daher heißt politische Ökonomie auf den Punkt gebracht: „Power“ und „Money“. Nach diesen beiden Hauptkategorien muß der Euro bei politischer Ökonomie als Aussage zuerst auf den Prüfstand. Die politische Ökonomie ist mit der Macht der Eurokraten der totale Bruch mit unserem Grundgesetz, und ihrer Erfolgsordnung, der sozialen Marktwirtschaft. Daher werden sich Erhard & Co. bald vehement zurückmelden.

Volker Biek, Hofheim

 

 

Zu: „Es geht um die historische Wahrheit”, Interview mit Thomas Mehner, JF 3/02

­­Urheber der Relativitätstheorie

Entgegen der Auffassung des im übrigen ausgezeichnet recherchierenden Herrn Mehner dürfte die Einstellung Hitlers zu Einstein keine Rolle beim Entschluß zur deutschen Atombombe gespielt haben. Erstens beruht die Atombombe auf den Grundlagenexperimenten Otto Hahns; das relativistische Formelwerk wurde als theoretische Interpretation angehängt. Ein Indiz für die Belanglosigkeit Einsteins ist, daß der Protagonist des deutschen A-Projekts, Minister Ohnesorge, Schüler ausgerechnet des Einstein-Kritikers Professor Philipp Lenard war. Dieser hatte gegen die Energiegewinnung nach „E=mc2“ gar keine Einwände. Zweitens mag in der Führungsriege der Nazis schon erahnt worden sein, was jüngste physikhistorische Forschungen zutage brachten: daß der Spritus rector der Relativitätstheorie in Wahrheit der deutsche Mathematiker Ferdinand Lindemann ist. Lindemann zählte zu dem Kreis national gesinnter Sozialisten um den Wiener Naturphilosophen Ernst Mach. Der von Himmler protegierte, wissenschaftliche Kopf des Projekts, Heisenberg, hat seine Theoretiker-Karriere nach einem über Bekannte vermittelten vertraulichen Gespräch bei Lindemann starten können. Die Atombombe und ihre Theorie sind eine urdeutsche, ihre Anwendungen eine amerikanische Angelegenheit.

Peter Rösch, Kronau

 

 

Zu: „Die Geschichte unserer Väter“ Interview mit Bastian Clevé, JF 2/02

Silberstreif am Horizont

Die Fernsehverfilmung von 1959 mit Heinz Weiß als Forell war seinerzeit in der Tat ein „Straßenfeger“, aber nicht, weil dort atemberaubende Actionszenen zu sehen waren, sondern weil damals noch Vaterlandsliebe und das Bekenntnis zum eigenen nationalen Schicksal zum Daseinsgefühl der Deutschen gehörten. Im Zuge einer seit Jahrzehnten von Politik und Massenmedien betriebenen Entnationalisierung des deutschen Volkes wurden die Fundamente historischer und nationalkultureller Identität weitgehend zerstört. Die Dominanz US-amerikanischer Trivial- und Actionfilme, die sich für gewöhnlich durch ein Übermaß an Showeffekten auf Kosten der Handlung präsentieren, beleuchtet das völlige Desinteresse des deutschen Staates an der Bewahrung kultureller Identität ebenso, wie den Mangel an kulturellem Selbstbehauptungswillen der Deutschen insgesamt. Die Verdrängung des deutschen Filmes von der nationalen wie der internationalen Bühne war nicht mehr aufzuhalten, als unser Staat die nationale Filmkultur nur noch als Wirtschaftsfaktor wahrnahm und dem freien Spiel der Marktkräfte überließ.

„So weit die Füße tragen“ von Bastian Clevé ist ein Silberstreif am Horizont und hoffentlich ein Zeichen eines Bewußtseinswandels unserer Filmschaffenden. Man kann Clevé nur die Kraft und den Zuspruch wünschen, sich auch weiteren Themen dieser Art, wie der Tragödie der Wilhelm Gustloff, anzunehmen.

Bernd Sydow, Berlin

 

 

Zu: „Anreize für Erwerbstätigkeit schaffen“ von Folkmar Koenigs, JF 2/02

Zuschläge erhöhen

Soll der Kombilohn die gewünschte Wirkung erzielen, dann muß der Abstand zwischen Sozialhilfe und Nettoeinkommen im Niedriglohnsektor vergrößert und damit der Zuschlag erhöht werden, zum Beispiel auf 20 oder 30 Prozent. Dann werden aber viele Sozialhilfebezieher unter dem Strich mehr Geld verdienen als reguläre Erwerbstätige ohne Sozialhilfeanspruch. Das wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und könnte im Ergebnis zu einer steigenden Zahl von Anträgen auf Sozialhilfe vor allem bei geringqualifizierten Berufseinsteigern führen.

Eine vernünftige Alternative zu Kombilohn-Modellen ist aus meiner Sicht die Einführung einer negativen Einkommenssteuer nach dem Vorbild der USA. Hier sind Niedrigverdiener nicht nur von der Lohnsteuer befreit, sondern erhalten bei geringer Einkommenshöhe einen staatlichen Zuschuß. Dadurch wird der Nettolohn gesteigert, und damit ein Anreiz für geringqualifizierte Erwerbspersonen geschaffen, eine bezahlte Tätigkeit anzunehmen.

Die negative Einkommenssteuer unterscheidet also - anders als das Kombilohn-Modell - nicht zwischen erwerbslosen Sozialhilfeempfängern und geringverdienenden Beschäftigten, weshalb es auch keine Benachteiligung von Niedriglohnbeziehern ohne Sozialhilfeanspruch gibt. Beide Gruppen verdienen bei gleicher Arbeit netto dasselbe. Für den Finanzminister käme die negative Einkommenssteuer natürlich teurer als der Kombilohn, der allein arbeitslosen Sozialhilfeempfängern zugute kommt. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum dieses in den USA so erfolgreiche Modell hierzulande in der politischen Diskussion praktisch keine Rolle spielt.

Peter Müller, Berlin

 

 

Zu: „Abschied von der D-Mark“ von Bernd-Thomas Ramb, JF 52/01

Werbung für Esperanto-Geld

Nicht genug damit, daß in Deutschland eine Währung eingeführt wird, die von der überwältigenden Mehrzahl der Bundesbürger abgelehnt wird - darüber hinaus müssen die Deutschen die massive Werbekampagne in den Medien für das „Esperanto-Geld“ (Gauweiler) natürlich auch noch selbst bezahlen. Daß Kanzler Schröder wahrheitswidrig in seiner Neujahrsansprache davon erzählt, jetzt werde ein alter Traum wahr, konnte auch niemanden wirklich überraschen. Daß dann aber auch noch eine Abschiedsgala mit dem vielsagenden Titel „Bye bye Deutsche Mark“, moderiert von Ulla Kock am Brink („Verzeih mir...“), zur besten Sendezeit im ZDF übertragen wird, schlägt dem Faß vollends den Boden aus. Wir Deutschen sind im Feiern von eigenen Niederlagen wahrlich Weltmeister!

Volker Groß, Steinbach

 

 

Zu: „Die ganze Wahrheit relativiert“ von Fritjof Berg, JF 52/01

Schon vorher ausgeplündert

Bei der Beurteilung des an der ostpreußischen Bevölkerung begangenen Menschheitsverbrechens in den Jahren 1944/45 vergißt man zumeist die Tatsache, daß die Russen schon einmal, im August, November und März 1914/15, in Ostpreußen eingefallen sind. Auch damals wurden in dem von den Russen besetzten östlichen Ostpreußen um Lyck und Johannisburg Dörfer und Städte ausgeplündert und rund 14.000 Zivilisten nach Sibirien verschleppt, von denen fast 40 Prozent dort elend zugrunde gingen. Die deutsche Öffentlichkeit hat sich seinerzeit über das völkerrechtswidrige Verhalten der russischen Truppen ungemein empört. Ostpreußen hat durch russische Truppen innerhalb von nur einer Generation Fürchterliches erdulden müssen. Wo bleibt die Entschuldigung und die Wiedergutmachung seitens der Täter?

Bernhard Soster, Heilbronn

 

 

Zum Wahlkampfauftakt

Schill muß ran

Seinem Wunschkanzler tut Schill keinen Gefallen, sollte er tatsächlich nicht antreten. Gewiß, den einen oder anderen „rechten“ Wähler wird Stoiber der Union hinzugewinnen können - doch viele werden keinen großen Unterschied sehen, ob nun die CDU/CSU schon wieder, letztlich unverändert, an die Macht kommt oder Schröder bleibt. Mehr noch: wie sich gezeigt hat, ist pragmatische Politik eher von einer „linken“ Regierung durchsetzbar - was hätte es seitens SPD, Grünen, anderen Organisationen und linken Bevölkerungsteilen in den letzten Jahren an Protest und Polemik gegeben, würde Rot-Grün nicht höchstselbst in Berlin dafür verantwortlich zeichnen. Nein, wenn für Stoiber überhaupt eine Mehrheit gegen SPD, Grüne und PDS möglich ist, dann nur, wenn Schill die resignierten Nichtwähler aktiviert und zudem in den Neuen Bundesländern Protestwähler von der PDS abzieht. Denn schaden würde die PRO Stoibers Kanzlerambitionen ohnehin nicht, da sie bestimmt die fünf Prozent Hürde schaffen und zudem ja nicht nur Unions-, sondern, wie die Zusammensetzung dieser Partei zeigt, auch Wähler anderer Parteien ansprechen würde.

Martin Heine, Eldagsen

 

Wurmfortsatz der Union?

Nach jüngsten Äußerungen des famosen Herrn Schill, sich mit seiner Gruppierung vorwiegend als Wurmfortsatz der Union zu verstehen, müssen sich endgültig all jene betrogen fühlen, die - als Wähler oder beim Aufbau von Orts- und Kreisverbänden aktiv engagiert - an eine realistische Chance geglaubt hatten, erstmals in unserem Parteienspektrum unter der zumindest bisher nicht stigmatisierten Firmierung „Schill“ eine Partei zu etablieren, deren programmatische Ausrichtung nachhaltig „rechts“ von der CSU anzusiedeln ist. Damit darf dieses Projekt als gescheitert gelten, bevor es richtig begonnen hat. 

Peter Bühner, Berlin

 

Grüne Alleinherrschaft

Voller Verwunderung, Skepsis, aber auch voller Unruhe fragen sich die Bürger unseres Landes, wohin der Weg der Grünen-Partei führen mag.

Vor einigen Jahren noch Bürger- und Polizistenschreck, alternativ und pazifistisch einerseits, militant dem eigenen Staat gegenüber andererseits, mauserte sich der Verein zu einer Partei, wobei man sich von einer Reihe auffälliger Revoluzzermerkmale trennte. Der Verlust der eigenen Substanz ging dann sehr schnell weiter, als man im Regierungsboot saß.

Bei der Abstimmung über den Militäreinsatz deutscher Soldaten warf man die Reste des grünen Gewissens über Bord. Macht und sicherlich auch das sich weit öffnende Füllhorn der Pfründe ließen so die spießbürgerliche Lebensauffassung der meisten Grünen über jene triumphieren, die sich noch ihrem grünen Gewissen verpflichtet fühlten. Hat man sich auf dieser Ebene erst einmal konsolidiert, wird man vermutlich nach mehr Macht, nach umfangreicheren Pfründen, letztlich nach Alleinherrschaft lechzen.

Ernst Reich, Schönwalde

 

Probleme endlich lösen

Drohend erhebt sich über allen Parteiklassikern die Schill-Partei. Eine Partei, die so recht noch keine ist, die aber Bundeskanzler Schröder trotzdem große Sorgen zu machen scheint, zumal er nach den letzten Umfrageergebnissen bereits ein Prozent hinter den „Schwarzen“ liegt. Eines dürfte unser Kanzler mit der ruhigen Hand im Laufe der letzten Legislaturperiode gelernt haben: Regieren ist schwerer als opponieren. Und wer es einfach nicht kann, der soll die Finger davon lassen. Wie Schneeverwehungen türmen sich die Reformvorhaben in Berlin. Die Gewerkschaften mit ihren unwirklichen Forderungen gefährden den sozialen Frieden und die Wirtschaft hinkt. Vom Bildungsnotstand ist dauernd die Rede und die Einwanderungsprobleme drücken. Probleme, die auch mit einem Kanzler Stoiber nicht gelöst werden. Die Zeiten des Wirtschaftswunders waren Zeiten von Fleiß, Mühe und Anstrengung.

Wer, wie unsere Etablierten, nur seine eigene Klientel streicheln will, der wird die Probleme unseres Landes nicht lösen. Rot-Grün belegt dies ebenso, wie es Schwarz-Gelb belegt hat. Wahlversprechen müssen sich an der Wirklichkeit orientieren und nicht an Träumen.

Alexander Klein, Köln

 

Keine Rhetorik, keine Brillianz

Edmund Stoiber ist kein Konservativer. Er ist in der CDU/CSU bestenfalls der Einäugige unter den Blinden. In einer Wahlveranstaltung vor einigen Jahren rief er, ziemlich erregt, aus: „Kein anständiger Bürger darf die Republikaner wählen.“ Dies war unter anderem einer der Gründe für mich, der CSU unter seiner Führung den Rücken zu kehren. Von seinem politischen Ziehvater Franz Josef Strauß hat er leider weder dessen rhetorische Brillianz, noch dessen charakterliches Rückrat geerbt. Das zeigt schon sein jüngster Kompromiß zur Zuwanderungsfrage.

Hans-Peter Lastovka, Freilassing


 
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