© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
Schnell den Schwanz einziehen
Medien: Mit einer durchsichtigen Kampagne versucht die „Süddeutsche Zeitung“, Stoiber und die Union in die rechte Ecke zu drängen
Gustaf Domberg

Ist Edmund Stoiber, CSU-Chef und Kanzlerkandidat der Unionsparteien sowie Hoffnungsträger des bürgerlich-konservativen Deutschland nun doch nichts anderes als ein Papiertiger? Die Frage stellt sich schon wenige Tage nach seiner Nominierung und nach seinem Sieg über die CDU-Vorsitzende Angela Merkel.

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte kurz nacheinander zwei Artikel, in denen Stoibers wichtigster Mitarbeiter innerhalb der Partei, CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, bezichtigt wurde, Schirmherr und Schutzpatron eines „rechtsextremen“ Verbandes für die Publizistik zu sein. Dieser Verein habe die „schwarz-braune“ Zeitschrift Epoche herausgegeben. In der 1976 gegründeten Vierteljahressschrift publizieren neben Stoiber und Goppel auch andere prominente CSU-Größen wie Otto von Habsburg, der Parteivize und Europaparlamentarier Ingo Friedrich, Innenminister Günther Beckstein und Finanzminister Kurt Faltlhauser sowie die Bundestagsabgeordneten Johannes Singhammer, Hans-Peter Uhl und Ernst Hinsken.

Der Vereinsvorsitzende und Epoche-Chefredakteur Karl Ludwig Bayer (siehe JF-Interview 13/00) wird überdies bezichtigt, in den sechziger Jahren Pressesprecher der NPD in München gewesen zu sein. Nun hat sich der 1941 in Wien geborene Bayer schon seit Jahrzehnten von der NPD getrennt und ist zu einem braven CSU-Adepten mutiert, dessen Zeitschrift - abgesehen von einzelnen bemerkenswerten Beiträgen (die aber meist nicht aus der Feder von Politikern stammen) sich eher durch erhabene Gediegenheit als durch Kühnheit auszeichnet.

Es geht auch gar nicht um die kaum epochale Epoche, als vielmehr darum, den CSU-Generalsekretär Goppel als Förderer von „Rechtsextremisten“ zu „entlarven“, ihn womöglich abzuschießen (oder mindestens anzuschießen), um Stoiber mitten im Wahlkampf ohne Stabschef dastehen zu lassen und dem Kanzlerkandidaten auch noch ein braunes Bonbon ans Hemd zu kleben.

Wenn in diesem Zusammenhang der Epoche-Macher Karl Ludwig Bayer dann noch als Ex-NPD-Mann der sechziger Jahre angeführt wird, kommt niemand auf die Idee, zu fragen, was denn höchste Repräsentanten der heutigen Bundesregierung in den sechziger und siebziger Jahren alles gemacht haben - Schröder als Juso-Chef, DDR-Freund und Anti-Amerikaner, Joschka Fischer als Kommandant einer linksextremen Straßengang in Frankfurt oder Innenminister Schily als Vertrauensanwalt berüchtigter Linksterroristen. Überdies wird die denunziatorische Absicht des SZ-Artikels vollends klar, wenn einzelne nicht-linke Journalisten - darunter ein Redakteur des Deutschland-Radios - als „rechtslastig“ angeschwärzt werden, weil sie in der Epoche Interviews publizierten. Besonders ernst muß die Attacke der Süddeutschen Zeitung auf den in Wien residierenden Südosteuropa-Korrespondenten des Bayerischen (ARD)-Fernsehens, Detlef Kleinert, genommen werden.

Kleinert, der zum öffentlich-rechtlichen Fernseh-Establishment zählt, wird vorgehalten, er sei gleichfalls in jungen Jahren Funktionär der „Jungen Nationaldemokraten“ gewesen und habe überdies in der Epoche wörtlich geschrieben, „daß wir seit dem 27. September 1998 in einer anderen Republik leben”. In der Ausländerfrage soll er gar von der „Integration der Nicht-Integrierbaren“ gesprochen haben.

Wie reagieren nun Stoiber und die CSU auf den offensichtlichen Versuch, die Faschismus-Keule gegen den Kanzlerkandidaten zu schwingen? Was unternehmen sie, um die wenigen nicht-linken Journalisten, die der CSU nahestehen, gegen denunziatorische Verfolgungen zu schützen? Leider muß man feststellen: die CSU geht nicht zum Gegenangriff über. Sie stellt sich nicht vor ihre Leute und nicht einmal vor den Fernsehmann Kleinert, der gar nicht so besonders CSU-nah ist.

Im Gegenteil: Als erstes legte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel die Schirmherrschaft über die Epoche und deren Trägerverein nieder. Er beteuerte, er habe sich schon viermal von dem Blatt und von Bayer trennen wollen, nur sei es ihm bisher nicht gelungen. Und Kanzlerkandidat Stoiber ließ seinen Pressesprecher Martin Neumeyer verlegen und gewunden erklären: „Im Licht neuer Erkenntnisse wird man im Einzelfall prüfen, ob dort, d.h. in der Epoche noch publiziert werden kann.“ Kriterium, so der Sprecher des bayerischen Ministerpräsidenten, sei „das Umfeld einer Publikation“.

Damit hat Stoibers Sprecher, ob bewußt oder aus Ahnungslosigkeit, selbst dazu beigetragen, daß die Jagd auf „Rechte“ - und das heißt: auf Stoiber persönlich - eröffnet werden kann. Der ganze Jammer verpfuschter christdemokratischer und christlich-sozialer Medienpolitik in Deutschland wird sichtbar. Ein Kanzlerkandidat, dessen engste Mitarbeiter zurückweichen und der seine „Unschuld“ beteuert, wo ihn keine Schuld trifft (und womit er seinen Gegnern die Initiative überläßt)!

Man fragt sich, ob die CSU (und ihre CDU-Schwester) jemals etwas von der „Salamitaktik“ gehört hat - bei der man vom bürgerlichen Lager, welches einer Salami gleicht, eine Scheibe nach der anderen abschneidet, solange, bis man den Zipfel in der Hand hält. Diesen Zipfel könnte der einstige Unionskritiker und heutige CSU-Wahlkampfhelfer Michael Spreng demnächst seinem Arbeitgeber Stoiber auf einem silbernen Tablett servieren. 


 
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